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OFFIZIERE
EIN DRAMA VON
FRITZ VON UNRUH
ALLE RECHTE VORBEHALTEN
DEN BÜHNEN GEGENÜBER MANUSKRIPT, DAS RECHT DER
AUFFÜHRUNG IST ALLEIN DURCH DEN VERLAG ERICH
REISS, BERLIN-WESTEND, KAIDERD AM Jtl-g^ ZU ERWERBEN
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FRITZ VON UNRUH
OFFIZIERE
MODERNE BÜHNE
EINE SAMMLUNG
DRAMATISCHER WERKE
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OFFIZIERE
EIN DRAMA
VON FRITZ VON UNRUH
BERLIN
ERICH REISS, VERLAG
Alle Rechte vorbehalten. Aufführungs-
recht ausschließlich durch den Verlag
Erich Reiß, Berlin W 62, zu erwerben.
Copyright 191 1 by Erich Reiß, Verlag.
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PERSONEN.
OBERST VON KRACHT.
GRAF EGBRECHT BORKE-DEMMIN, sein Adju-
tant.
MAJOR VON HEIDENBERG, Generalstabschef.
REGINALD ALBEMARLE (genannt „Mister"). Ober-
leutnant.
ERNST VON SCHLICHTING
HARRY VON HENNER
EDGAR VON DETLEFFSEN
CURT VON GLOBINSKY
HANS JÜRGEN VON RÜXLEBEN 1 j .„^^„„^9
MAX, BARON WERCKMEISTER ^ ^^^^^^"'''•
VON FAVARGER
VON DOSSE
VON PLOTO
VON BENCKENDORFF.
EIN OFFIZIER.
GÖTZ, MiHtärpfarrer-
EIN MILITÄRPFARRER.
ALBRECHT, Kasinounteroffizier.
FRAU VON RÜXLEBEN. V
HEDWIG VON KRACHT.
MARIANNE VON POUET.
ERIKA VON BAUMBACH.
HILDE VON WREDE.
GERTRUD VON RHETZ.
EIN MÄDCHEN . .
Herren und Damen der Gesellschaft.
Offiziere, Reiter, Ordonnanzen.
ERSTER AKT.
CASINO.
ALBRECHT {kommandiert im Hintergrund Ordon-
nanzett, die eine grasgrüne^ mit knallroten Blumen durch-
wirkte Girlande über der Saaltür festmachen).
ERNST {tritt von links herein): Macht! Macht!
Kinders !
ORDONNANZ {die schon mehrfach vergeblich ver-
sucht^ an Ernst heranzukommen) : Herr Leutnant . . .
ERNST: Zum Donnerwetter!
ORDONNANZ: Parole.
ERNST: Her! {liest) Nachtübung . . . Kirchgang . . .
{stampft auf) Brotempfang . . . ? Bin ich da schon
wieder dran . . . ?
ORDONNANZ {sieht ihn verständnislos an).
ERNST {klappt die Parole zu und wirft sie auf den
Tisch): Worauf wartest du?
ORDONNANZ: Ich überlege, ob der Herr Leutnant
dran sind . . .
ERNST: Wodran?
ORDONNANZ: Am Brotempfang . . .
ERNST {lacht) : Weltbewegende Überlegungen sind's.
ORDONNANZ: Wohl Herr Leutnant . . . {will ab).
ERNST: Komm noch mal her , . .
ORDONNANZ {gibt Parole).
ERNST {liest sie nochmals — gibt sie zurück): Da!
ORDONNANZ {ab).
ERNST {stützt den Kopf) : Brotempfang . . . Spielerei . . . !
{Schellengeläut; er schreckt auf) : Die Schlitten ! Vorwärts !
{zu denOrdonnanzen) : W^as soll das Gewurstle über der Tür ?
ALBRECHT {wichtig): Hab' es angeordnet. Quasi
zu Ehren von Herrn Leutnants Fräulein Braut . . .
ERNST {lacht): Soll sich nur meine Grenadiere an-
sehn! Nu aber runter damit!
ALBRECHT {gekränkt): Zu Befehl.
ERNST {zu den Ordonnanzen): Kerls, steht ihr nur
stramm vor ihr wie Eichen, besser ist's als der Blumen-
tand . . .
ALBRECHT: Los!
ORDONNANZ: Die Nägel stecken so fest im
Holz . . .
ERNST: In den Kamin damit.
ALBRECHT: Reißt die Türen ein, aber runter mit
dem Dreck!
ERNST: Albrecht!
ALBRECHT: Herr Leutnant!
ERNST {sieht ihn streng an).
ALBRECHT: Wohl Herr Leutnant . . . :
Ordonnanz (steht unten — atemlos): Schlitten! Die
Schlitten !
ERNST (ab in den Saal — ruft zurück): Kronen-
leuchter an!
ALBRECHT: Zu Befehl! (zu den Ordonnanzen):
Marsch! Marsch!
I. ORDONNANZ: Die Guirlande?
. ALBRECHT: In den Kamin! Dreck ist das! Was
is es ?
I. ORDONNANZ (wirft sie in den Kamin — grinst).
ALBRECHT: Was es is ?
I. ORDONNANZ: Dreck! (-platzt raus).
ALBRECHT (gleichfalls) : Beine ward' ich dir machen !
(Alle ab.)
(Das Schellengeläut war stärker geworden — hat auf-
gehört. Etwa zehn junge Offiziere stürmen in den Saal,
geführt von Max, Baron Werckmeister.)
ALLE: Kamin anstecken!
MAX (an seinen Hosen beschäftigt): Liliputschlitten !
ALLE (lachen).
MAX: Mußt in die Beine 'n Knoten schlagen!
V. FLOTO: Uns obendrein keine Damen zu geben!.
V. bOSSE: Keine Mädchen!
ALLE: Wollen uns mit Champus trösten! (Alle ab.)
MAX: Dosse: Mein Hosensitz?
v.DOSSE: Wie'n Korkenzieher, Baron . . . (lacht — ab).
MAX (ruft eine Ordonnanz) : Der ganze Eindruck also
flöten. Flöten ... .
lo
ORDONNANZ: Herr Leutnant?
MAX : Den Friseur . . . den Schneider . . . Schneider-
nleister — Regimentsschneidermeister ...
ORDONNANZ: Den Regiments . . . ? ?
MAX: Könnte schon hier sein! Mit Plitteisen! Heiß!
Glühend !
ORDONNANZ: Glühend heiß .. . {verständnistos ab).
MAX {indem er sich herumdreht . . . und sich vergeb-
lich bemüht — , die Rückseite zu sehn) : . . . Wie'n- Korken-
zieher! Zu peinlich! {ab).
REGINALD ALBYMARLE mit HARRY v. HEN-
NER {vom Corridor im Gespräch) : So, Ihnen br;pnnen
die Lippen! Hä — Sie sind 'n Kerl!. Wovon denn,
Harry? Wovon denn?
HARRY: Vom Küssen! Besser erwärmt's, als alle-
Kohlen der Welt ! {reibt sich am Kamin die Hände).
MISTER: Zu spät geheizt is hier, Menschenskind !
Hier is zu spät geheizt . . . Ordonnanz !
HARRY: Saßen ja im Schlitten wie'n präsentiertes
Gewehr . . . mit Ihrer Marianne ...
MISTER: Saß ich so da?
HARRY: Hätten sich doch küssen lassen von der
schlanken Schwarzen!
MISTER: Werd mich von dem Weibsbild grad
küssen lassen ! Bin doch nicht meschugge . . .. Küßt
einem die Ehe an den Hals ! Bin doch nicht meschugge . .
HARRY: Schlittenfreiheit ist heut!
MISTER: Schhttenfreiheit! Ordonnanz !: Mit Ihrer
Schlittenfreiheit! Kupplererfindung! Infame Kuppler-
erfindung !
HARRY: Das kleine Aas! . . . Bei mir hätt's sitzen
sollen ....
MISTER: Na, Menschenskind, Sie sind nicht zu kurz
gekommen !
HARRY: Ne Sünde wär's auch!
MISTER: Sind nicht zu kurz gekommen,. Harry!
HARRY : Häb'n Sie unser entzückendes Bräutchen
gesehn ?
II
MISTER: Unser? Wieso unser?
HARRY: Die kleine Kracht?
MISTER {lenkt merkbar ab) : Wo steckt Schlichting ?
HARRY (zuckt die Achselti)-. Aber sein Bräutchen
läßt er allein . . .!
MISTER: Ordonnanz! He! Kellner!
HARRY: Zum Beispiel: Wenn ich solch reizendes
Bräutchen hätt.
MISTER: Lassen Sie mich doch mit der Braut in
Frieden! Ordonnanz! Lassen Sie mich nur in Frieden
mit der . . .
HARRY {sieht sich lachend nach einer Ordonnanz um,
ruft): He! Ernst! Schlichting!
MISTER: Aus ner spiritistischen Versammlung kam
er, wie er seine Verlobung proklamierte! Braut! In
dem „Au" liegt's ganze Kreuz des Ehestands — da
liegt's ganze Kreuz drin! He! Ober! . . . Liebe Ordon-
nanz! Verfluchte Schenke! {schlägt auf den Tisch).
ALBRECHT {erscheint): Herr Oberleutnant?
MISTER: Wo steckt ihr alle?
ALBRECHT: 's gibt noch so viel zu tun!
MISTER: Menschenskind, Albrecht, reden Sie nicht
.... weil 'n paar Frauenzimmer herkommen, verliert
ihr alle den Kopf . . .
ALBRECHT: Nein, Herr Oberleutnant . . . {lacht).
MISTER {lacht ebenfalls): Roten Burgunder! Bloß
weil 'n paar Weiber kommen!
HARRY: War Leutnant v. Schlichting hier?
ALBRECHT: Wohl ... der Herr Leutnant binden
grade einen Strauß für sein gnädiges Fräulein Braut . . .
MISTER: Also Menschenskind: Burgunder!
ALBRECHT {verständnisvoll lächelnd, ab).
MISTER: Einen Strauß . . . niedlich . . .
HARRY: Warum soll er keinen Strauß binden! {lacht).
MISTER: Diese Frauenzimmer, Harry, diese Weiber!
{ab nach links).
ERNST {aus dem Saal, hinter ihm ein Unteroffizier
mit Geige).
12
UNTEROFFIZIER: Das Largo vielleicht?
ERNST {auffahren^: Einen Choral! Soll ich zu
allem noch Kapellmeister sein ?
UNTEROFFIZIER: Herr Leutnant?
i ERNST: Spielt Lustiges!
UNTEROFFIZIER: Also keinen Einzugsmarsch?
ERNST: Was?
UNTEROFFIZIER: Also einen Einzugsmarsch . . .
ERNST: Reden Sie nicht —
UNTEROFFIZIER {in den Saal) iVstl . . . Den Ein-
zugsmarsch !
HARRY (ruft dazwischen): Einen Walzer!
UNTEROFFIZIER: Also doch keinen Einzugs-
marsch !
ERNST: Fort! Schwätzer!
UNTEROFFIZIER {erstaunt ab in den Saal).
HARRY: 'n Jammer, daß du nicht mit warst!
ERNST: So!
HARRY: Bengel: Die Schlittenpartie! glänzend!
ERNST: Schön.
HARRY: Da war'n Weiber dabei . . .!
ERNST: Damen.
HARRY: Pardon . . . Ah, der Herr Bräutigam! —
Frische Rosen ! ?
ERNST: Ja.
HARRY: Ne Winterrarität!
ERNST: Vom Gärtner! Kauf so was nicht!
HARRY {riecht an den Blumen)-, Soll's wieder gut-
gemacht werden ? Daß du dein Bräutchen allein läßt ?
ERNST: Dienst geht vor!
HARRY: {im Scherz^ stramm): Hand an den Helm.
Das heißt Pflichtgefühl!
ERNST: Selbstverständlich! Bedarf keiner Phrasen!
REGIMENTSSCHNEIDERMEISTER {mit Eisen,
Gehilfen uszv.).
ERNST: Was wollt Ihr?
REGIMENTSSCHNEIDER: Bügeln!
ERNST: Bügeln?
13
REGIMENTSSCHNEIDER: Wohl!
ERNST: Verstand verloren! Bügeln?
REGIMENTSSCHNEIDER: Mich hat eine Ordon-
nanz geholt!
ERNST: Raus! {Beide ab.)
ERNST {geht auf und ab). ■
HARRY {der die ganze Zeit still gestanden hat) : Darf
ich rühren ?
ERNST: Albre doch nicht!
HARRY: Zu Befehl {steht wieder still).
ERNST: Was is in dich gefahren?
HARRY: Deine Korrektheit! Welche Puppe sie aus
mir macht! Dienst geht vor {notiert) Bräutigams-
pflicht . . . ! Auch vor Ehepflicht ? Hochzeitsnacht ? ha,
ha . . . Bist 'n Gemütsathlet! {wirbelt ihn herum).
ERNST: Bist ja lustig!
HARRY: Darf ich nich?
ERNST: Begreif dich nich ganz . . .
HARRY: Denk mal an . . .
ERNST: Daß der Ehrenrat über dir tagt, weißt du?
HARRY: Selbstredend!
ERNST: Und kindschst hier herum?
HARRY: Wie du siehst.
ERNST: Wenn's dir nun den roten Kragen kostet!
HARRY: Wegen der paar tausend lumpigen Kröten?
ERNST: Lumpig, wenn man sie hat!
HARRY: Wenn man sie nicht hat, erst recht!
ERNST: Was soll nun werden?
HARRY: Bin ich ein Wahrsager!
ERNST: Schon die Zeitungen haben die Geschichte
gewittert.
HARRY: Soll ich mich vor diesen Hyänen ver-
graben ?
ERNST: Junge!
HARRY: Mir Klageweiber mieten, pro Träne fünf
Pfennig ?
ERNST: Deine Schulden bringen dir den Abschied ein.
HARRY: Ha, ha . . .
ERNST: Denke an mich . , .
HARRY: Bei uns heißt's gleich Schulden! Andre
Leute spielen auch. Kein Hahn kräht nach . . ,
ERNST: Andre Leute! andre Leute! — Andre
Leute verdienen sich Geld!
HARRY (Jährt auf): Kann ich dafür, daß man mich
schlechter bezahlt wie'n Tagelöhner ? Schufte mich
redlich ab! Keinen Sechser krieg ich dafür. Alles reitet
auf mir rum. Jede Freude soll einem genommen werden !
Von morgens früh bis abends spät: Dienst: immer
Dienst. Nächstens darf man nicht mehr zu Bett gehen . .
ERNST: Harry!!
MAX (in einem bis an die Knöchel reichenden Umhang,
seine Hosen ängstlich verbergend) : O pardon — ^-, störe !
HARRY: Bitte.
MAX: Sagt mal, war der Schneider da?
HARRY: Is rausgeworfen . . .
MAX: Wa . , . ? Danke sehr; ... zu gütig . . &
HARRY : Was treibst du im Umhang, Werckmeister ?
MAX: Was treibst du ohne Umhang, Henner?
HARRY: Warum bewegst du die Arme nicht?
MAX: Bin ich ein Hampelmann? {wütend ab).
HARRY: Wer weiß . . . Man bewegt uns alle an
Strippen ...
EELNST: Harry, wenn dich der Oberst hier sieht , . .
HARRY: Noch is er nich da . . .
ERNST: Aber die andern?
HARRY: Die ahnen nichts.
ERNST (gibt ihm plötzlich die Hand). (Jb.)
HARRY (zündet sich eine^igarette an, sieht ihm nach) :
Verrückte Schraube!
{Die zehn Offiziere kommen in heiterer Sektlaune zurück,
umringen Harry)
V. PLOTO: Die Mädels?
V. DOSSE: Die Damen, wo sind sie?
HARRY: Eh sich die Grazien aus ihren Pelzen gepellt.
V. PLOTO: Trinken wir uns die Welt wacklig
V. DOSSE: Ich seh sie schon doppelt . . .
15
HARRY: Könnt ihr noch tanzen?
ALLE: Eins, zwei, drei . . . {tanzen).
HARRY: Ho, ho! auf dem Strich lang — ! Aufge-
paßt! {nimmt von der Wand eine Laute).
ALLE: Musik!
HARRY: Hinter mir her!
V. DOSSE: Abstand halten!
HARRY {geht voran, singt. Alle folgen im Gänse-
marsch)'. „Wenn die Soldaten durch die Stadt mar-
schieren! Eins zwei. Eins zwei! Halb rechts — halb
links Grad — aus !
Öffnen die Mädchen die Fenster und die Türen
Wenn die Soldaten durch die Stadt marschieren."
{Alle halten, er wendet sich zu ihnen.)
„Na warum ?"
ALLE {im Baß): „Na darum!"
HARRY {lebhaft weiter): „Bloß wegen so'n bißchen
Junge, wenn du willst: Juchheirassa!"
ALLE {halten, stramm) : „Junge, wenn du willst, dann
komm!"
V. DOSSE: Ohne Sie war die Welt 'ne Tränenkiste!
HARRY: Weiter!
ALLE: Wir gehn sicher ...
V. DOSSE: Ziemlich sicher . . . Harry, wir woll'n
uns duzen.
V. PLOTO: Brüderschaft!
HARRY: Tu's nicht mit jedem.
ALLE: Brüderschaft trinken! {Lärm.)
ERNST {geht rasch vorbei).
ALLE {hören unwillkürlich einen Moment auf, wollen
Ernst anrufen, da ist er schon fort).
HARRY: Tanzt! Tanzt weiter! {beginnt wieder).:
,,Wenn die Soldaten usw."
V. DOSSE: Schon gehört: Schlichting hat sich zu
den Fliegern gemeldet ...
ALLE: Unser Ernst?
HARRY: Na prost, Frau Sonne! Dann gnade dir,
Gott!
i6
V. DOSSE: Du meinst er . . . ? ? Ja, ja . . . ha, ha . . .
ALLE {lachen).
y. PLOTO: Er bändelt an!
HARRY: Und nächsten Herbst gibt's Rekrutenaus-
bildung in der südwestlichen Schattenecke des Sonnen-
flecks B.
ALLE: Bravo!
V. DOSSE: Sein Bräutchen?
HARRY: Stickt ihm Hosenträger, mit „nee soli
cedit" drauf, in schwarz- weißer Seide . . .
ALLE: Glänzend!
HARRY: Bleibt ledig. Kinders! Mit der Freiheit ist's
sonst aus . . .
MAX {ohne Umhang — stolz wie ein PfaUy mit tadel-
losen Bügelfalten, tritt scharwenzelnd ein) : Ja, bleibt ledig,
das sag ich euch!
ALLE {lachen).
MAX: Die Chancen sind größer!
HARRY: Wie wir aussehn!
MAX: Unsereins schießt doch überall den Vogel ab!
HARRY: Warum sollte man sich da zeitlebens mit
einem Hühnchen begnügen!
V. DOSSE: Dein Hosensitz! ...
HARRY: In dich muß sich ja jedes Mädel verlieben.
MAX: Nun ja, ich gebe zu, daß meine Beine von
leidlichem Wuchs sind!
HARRY: Man könnte sie als Lineal gebrauchen!
ALLE {lachen).
HARRY: Oder als Richtschnur für jeden korrekten
Offizier . . .
MAX {ohne den Ulk zu merken): Wer diese Uniform
trägt, muß auf adrettes Aussehen halten!
ALBRECHT {stramm) : Die Herrschaften kommen
rauf!
HARRY: AUe Mädels!
ALLE: Hoch!
MAX {zu Harry) : Die Hüde Wrede laß mir!
HARRY: Nicht zu machen!
17
MAX: Höre mal . . . die mußt du mir lassen . . .
Auf rotes Haar bin ich toll . . .
HARRY: Wer verantwortete das! Nimmt dich wie'n
Hering aus!
MAX: Mich? Du hast keine Vorstellung von meiner
Kraft ...
ALLE {lachen).
PFARRER GÖTZ {tritt herein).
HARRY {begrüßt ihn mit tiefer V erbeugung, die alle
nachmach eri): Der Herr segne uns!
GÖTZ: Amen! Des laß ich mir gefalle, Himmel
nochemal !
ALLE: Tanzen!
V. DOSSE: Nicht zieren!
MAX: Ihre Krawatte, Doktor.
GÖTZ: Sage Sie nichts gegen meine Krawatte,
Verehrtester.
MAX {rückt sie ihm zurecht) : Mein ästhetisches Gefühl !
HARRY: Das viele Kirchgehen muß gerächt werden.
GÖTZ: Die alte Sitten muß man ehre . . .
HARRY: Wenn sie tot sind? ...
ALLE : Ha, ha ... : los !
GÖTZ: Herrschafte, der Pfarrer Götz soll tanze!
Des gab ja e Bild! . . .
FRITZ: Melde! melde! {reißt die Türen auf).
HARRY: He! Musik! Kapellmeister!
UNTEROFFIZIER {mit Geige).
HARRY: Schnell! Schnell! Einzugsmarsch!
UNTEROFFIZIER: Also doch Einzugsmarsch {zu-
frieden ab, gleich darauf: Musik).
GÖTZ: Ha, nu wolle wir uns aber mal gesittet
daherstelle ...
{Damen und Herren kommen herein, verteilen sich —
plaudern — gehn in den Saal.)
V. DOSSE: {setzt sich ans Klavier — singt impro-
visierend den Einzugsmarsch . . .)
MAX {verzückt): Du hast ne Stimme, die über dem
gewöhnlichen Dilettantismus steht . . .
i8
HARRY {klappt das Klavier zu — hält Dosse die Hand
auf den Mund).
V. FAVARGER (leise) : Liebesheiraten ? Bin grund-
sätzlich dagegen ...
ERIKA V. BAUMBACH (kichert).
V. FAVARGER: Leidenschaft ist Unsinn!
ERIKA V. B.: Herr v. Favarger!
V. FAVARGER : Wo kämen wir mit der Heraldik hin,
wenn jeder nach seiner Leidenschaft Hochzeit hielt . . .
ERIKA V. B.: Zum Totlachen . . . ha ha. (Jb in den
Saal.)
V. FAVARGER: Modernisiert! (Kopfschüttelnd hin-
terher.)
GÖTZ (an der Tür): Willkomme, Verehrteste, will-
komme!
EDGAR V. DETLEFFSEN (führt Hilde v. Wrede):
MAX {zu Harry., außer sich vor Entzücken): Gott,
das Mädel!
GÖTZ: E Freud — all die rote Bäckche daher . . .
MAX: Zum Anbeißen.
EDGAR V. DETLEFFSEN (im Gespräch): Bedaure
Sie, gnädiges Fräulein — Musik! Mir könnte sie alles
ersetzen . . .
HARRY (drängt sich zwischen alle): Telephon . . .
HILDE: Telephon! (Läßt Edgar stehen)
HARRY: Ja, man verlangt Sie am Telephon ...
HILDE: Mich?
HARRY (lacht): Meines Herzens. (Beide ah in den Saal.)
MAX : Harry ! ! — (wütend zu Edgar) Dir läuft auch
jede weg.
EDGAR: Sag das nicht. . .
MAX: Brutal muß man sein . . .
EDGAR (lächelt): Ich kann nicht brutal sein . . .
MAX: Dann wirst du nie Glück bei den Mädels
haben ...
EDGAR (stutzt): Wieso! (Schnell ah in den Saal.)
MARIANNE v. POUET: Mit Reginald Albemarle . . .
HANS JÜRGEN v. RÜXLEBEN: Mit wem?
2* 19
MARIANNE (trotzig, weicht Hans Jürgen aus): Ich
hatte mich fest verabredet mit ihm . . .
CURT V. GLOBINSKY: Mit unserm Mister?
Ausgerechnet!! {Führt Gertrud von Rhetz.)
MARIANNE: Ich will hin zu ihm . . .
HANS JÜRGEN: Wo steckt er?
CURT (läßt Gertrud stehen; leise zu Hans Jürgen):
Wo gibt's Zigarren ? (Zu Marianne) Ich suche ihn , . ,
(zu Gertrud) im Augenblick . . . (Ab.)
HANS JÜRGEN: Erlauben Sie! (Reicht Marianne
ohne viel Kom-plimente den Arm)
MARIANNE: Regln ald .. .
HANS JÜRGEN: Was?
MARIANNE: Mama (sieht sich hilfesuchend um).
HANS JÜRGEN: Wir gehn . . . (Beide ah.)
MAX(y^07wm/Ä^mwzttG^r/rtt^;HabenSiekeinenHerrn?
GERTRUD (schmollend): Nein.
MAX: Hatten Sie keinen?
GERTRUD: Doch.
MAX (wütend): Hatte auch ne Dame.
GERTRUD: Wo ist sie?
MAX (stampft auf).
GERTRUD (lacht) : Dann stimmen wir zusammen ?
MAX: Weiß nicht . . .
GERTRUD (lacht jetzt hell auf) : Es stimmt ! (Beide ab.
FerschiedeneStabsoffiziere undHauptleute gehen in denSaal.)
V. FAVARGER (mit Skizzenbuch, hinter ihm v. Bencken-
dorff und eine Ordonnanz): Sind die Blumenkörbe ge-
kommen ?
ORDONNANZ: Wohl!
V. FAVARGER: Wo ist mein Kostüm?
ORDONNANZ: In der Bibliothek . . . (Ab)
V. BENCKENDORFF (verschämt): Glaubst du wohl,
daß mein Prolog Anklang finden wird ?
V. FAVARGER: Na, Goethe is es nicht . . .Darüber
bist du dir ja wohl klar . , .
V. BENCKENDORFF: Du hältst nicht viel von
meinem Talent ?
20
V. FAVARGER: Gott, die Gaben sind verschieden
verteilt . . .
V. DOSSE {kommt selig aus dem Saal) : Ihr solltet doch
mal die neue Bowle versuchen.
V. FAVARGER: Zu viel zu erledigen . . .
V. DOSSE: Wozu plagst du dich?
v. FAVARGER: Man muß doch etw^as für die Mensch-
heit tun!
V. BENCKENDORFF: Ich bewundre dich . . .
(Jlle ab.)
FRAU V. RÜXLEBEN (klein, untersetzt — sehr leb-
haft, energisch in Wort und Geste) : Oh . . . Ungeschickt
läßt grüßen ...
HEDWIG V. KRACHT {lustig, mit Rosenstrauß in
der Hand): Hat ihm nichts geschadet.
FRAU V. RÜXLEBEN: Da kann ich nu mal nicht
helfen, Fräulein Hedwig, . . . das war mir als Braut nicht
passiert.
HEDWIG {plötzlich betroffen, sieht Ernst an): Ernst!
ERNST: Was liegt denn dran . . .
FRAU V. RÜXLEBEN {-pustet an den Blumen):
Schon die Blätter fallen ab . . .
ERNST: Ist ihre Bestimmung.
FRAU V. RÜXLEBEN : Ne, ne kann ich wirklich nicht
helfen . . . Wenn der Hebe Bräutigam auch poetisch wird . . .
ERNST: Ich?
FRAU V. RÜXLEBEN: Nun . . . Sie meinten doch.
{Bewegung So, so.
ERNST: Wie?
FRAU V. RÜXLEBEN: Nun so . . ., daß die Rosen
unter dem, verzeihen Sie Liebster, nicht kleinen Fuß
Ihrer Braut entblättern dürfen . . .
ERNST: Dachte nicht dran ...
FRAU V. RÜXLEBEN: Mit Brautleuten ist nichts
anzufangen..., Liebste! Kann nu mal nicht helfen.
Wo gibt's Tee?
GRAF ECKBRECHT BORKE DEMMIN: Bitte
sehr, gnädigste Frau ... im Saal . . .
21
FRAU V. RÜXLEBEN {gibt den Strauß zurück):
Da . . . Einigermaßen wieder zurechtgepustet War-
ten Sie . . . Kann nichts helfen . . . {Lachend aby an
Eckbrechts Arm).
HEDWIG {zu Ernst) : Was fehlt dir ?
ERNST {streift sich die Stirn): Gott Kind!
HEDWIG {fröhlich): Übermorgen soll schon wieder
'ne Schlittenpartie sein . . .
ERNST: Macht's dir solche Freude?
HEDWIG: Tolle!
ERNST: Hetelchen!
HEDWIG: Wie wir gejagt sind! Hui! durch den
gUtzernden Wald!
ERNST: Gern wäre ich mitgekommen . . .!
HEDWIG: Oh . . . deine Kameraden waren ja so
reizend zu mir . . .
ERNST: Man sieht dich gern im Regiment . . .
HEDWIG : Brauch nur zu befehlen. — Dann springen
sie alle!
ERNST {droht lachend) : In dir steckt ein kleiner
Regimentskommandeur . . . ! {Aus dem Saal erklingt
Walzermusik.)
HEDWIG {befiehlt) : Vorwärts . . . {Ko-pf in den
Rosen) Wir wollen tanzen ! . . . {zieht ihn leidenschaft-
lich an sich . . . ab in den Saal.)
MISTER {bleibt, wie er Hedwig siebt, am Türpfosten
stehn, faßt sich unwillkürlich an den Kragen, beißt krampf-
haft die Oberlippe) :
- CURT {mit großer Zigarre) : Also Reginaldchen — es
geht wirklich nicht . . .
MISTER: Lassen Sie mich in Frieden, Curt, Sie
sollen mich mit dem Weibsbild in Frieden lassen.
CURT : Die Kleine kriegt 'n Weinkrampf. '■ — Mister-
chen, es erregt Aufsehen.
Mister : Herrgott, lassen Sie mich doch meinen
Burgunder trinken, lassen Sie mich den doch trinken,
CURT: Trinken Sie ruhig, Kerlchen, Aber dann
kommen Sie . . . die Schwarze ist toll nach Ihnen . . .
22
MISTER: Will Ihnen mal was sagen, Curt . . . will
Ihnen mal ganz schnell was sagen . . . {Sagt ihm etwas
ins Ohr.)
GURT : Oooh . . . Oooh ... — Das ist zu schärf . . .
Da beurteilen Sie das Mädel falsch . . .
MISTER: Curt! ... Um den Punkt dreht sich die
Welt . . . da dreht sich die Welt drum.
CURT {lacht): Gut! Erkenne das Karussel an. Aber
nun kommen Sie auch! . . .
MISTER: Schockschwerebrett ... Sie sollen mich
in Frieden lassen. Meinen Burgunder will ich trinken.
Von Frauenzimmern nichts mehr. Meinen lieben Bur-
gunder wiU ich trinken . . .
HANS JÜRGEN v. RÜXLEBEN {außer Atem): Da
sitzt er . . .
MISTER: Ja, und zwar höllisch sitzt er da . . .
HANS JÜRGEN: Und säuft wie 'n Schwamm . . .
MISTER: Hä, weil er klug is, Jochen, weil er klug is,
deshalb trinkt er . . . Sehen Sie ...
HANS JÜRGEN und CURT {lachen): Mister!
MISTER: Weil 'n Glas Wein heißer brennt als aUe
falschen Lippen . . . deshalb trinkt der Mister . . . Eine
Ausnahme laß ich gelten ...
HANS JÜRGEN: Bin ihretwegen da . . . die kleine
Schwarze.
MISTER: Schockschwerebrett, nun macht, daß Ihr
fortkommt !
HANS JÜRGEN: Das M^del sucht Sie seit drei
Stunden. {Curt und Hans Jürgen wollen Mister vom
Stuhl ziehen.)
MISTER: Hat sie Beschäftigung, Jochen, hat sie
Beschäftigung!
HANS JÜRGEN: Los!!
MISTER: Jochen! Curt! Verbrennt Euch nicht
die Finger! Verbrennt die Euch nicht! ...
HANS JÜRGEN, CURT: Sie müssen mit!
MISTER: Schwerenotnochmal !
HANS JÜRGEN: Schön. {Läuft ab.)
23
CURT: Halt! Halt! {Hinterher ab.) {Etwa sechs junge
Mädchen vor Hedwig her . . . stürmen an Mister vorbei.)
STIMMEN: Wir holen ihn! Fangen ihn! Bringen
ihn dir! Im Triumph! Aber eine Rose! Gib! Gib!
HEDWIG: Find ihn aUein!
STIMMEN: Liebe macht blind! wir sehen für dich!
ha, ha . . . Eine Rose! bitte! bitte . . . Eine Rose!
HEDWIG: Ungern! Schlichting gab sie mir!
STIMMEN : Hast ihn uns weggeschnappt. Zahl nun
dafür.
HEDWIG: Ja . . . Er gehört mir! Da — da . . . Mit
Perlen möcht' ich Euch füttern ... So glücklich bin
ich . . . {Teilt Rosen aus.) Freut Euch!
STIMMEN: Glaub nicht, daß wir alte Schachteln
werden!
HEDWIG: Auf meinen Bräutigam: Jagd!
STIMMEN {alle vor Hedwig ab): Hallo! Wer bringt
ihn zuerst . . . hahaha.
HEDWIG {stutzt) : Reginald Albemarle . . . ? Ver-
einsamt? Tanzt man in Schottland nicht?
MISTER: Ich tanze nicht, gnädiges Fräulein . . .
HEDWIG; „Ich tanze nicht". U, alter Bär, ha, ha,
ha . . . Haben Sie wenigstens meinen Bräutigam ge-
sehnr
MISTER: Bedaure . . , ich habe ihn nicht gesehn
Tut mir leid
HEDWIG: Was er im Kopf hat!
MISTER: Tausend Pläne!
HEDWIG: Mich soll er drinnen haben!
MISTER {lacht).
HEDWIG: Ich muß ihn finden . . . (^ endet sich
nochmals um) Woll'n Sie den Kottillon mit mir tanzen ?
MISTER: Hab heut Nachtübung! . . . Vielen Dank,
gnädiges Fräulein . . . aber ich muß mit der Kompagnie
zur Nachtübung . . .
HEDWIG : Oh . . . dann . . . {hält sich den Finger an
den Mund) Disziplin bringt mir mein Bräutigam bei . . .
ha. ha . . .
24
MISTER: Gnädiges Fräulein ... '^^
HEDWIG: Ja...?
MISTER: Eine Rose . . .! bitte eine Rose!
HEDWIG: Haben Sie uns belauscht! Pfui! das ist
häßlich. Machen sich lustig! — Aber wenn man so
glücklich ist . . . warten Sie {will ihm geben). Nein . . .
doch nicht . . . {Lachend ah)
MISTER {sieht ihr voll Leidenschaft nach, küßt dann mit
plötzlichem Gefühlsausbruch lange die Stelle auf der Tisch-
platte, auf der Hedwigs Hände gestützt waren).
PFARRER GÖTZ {im Gespräch mit Ernst) : Ha nu,
was erwarte Sie eigentlich vom Lebe ?
ERNST: Eine Bestimmung hat der Mensch, nichts
anderes erwarte ich, als ihre Erfüllung —
PFARRER GÖTZ: Jeder gelebte Tag ist Erfül-
lung, Verehrtester.
ERNST: Exerzieren — Kasino — Kasino — exer-
zieren in der Schnecke soll ich Luft kriegen ? Mich
erfüllen können . . . ?
GÖTZ {ablenkend) : Zu viel Leut sind daher . . .
ERNST: Buckeln und kriechen habe ich nicht ge-
lernt {beide ah in den Saal).
MISTER {ruft Ernst an): Pst! pst!
ERNST {sieht sich um).
MISTER: Ernstel.
ERNST {kommt zurück) : Sie ? Was treiben Sie hier ?
MISTER: Askese, Ernstel, Askese . . .
ERNST {lacht) : Mit rotem Burgunder . . . ?
MISTER : Na ja, was denn, roten Burgunder ! Der heizt,
Menschenkind, der macht warm, aber höUisch macht der
warm . . . dann friert der Mister heute nacht nicht, ver-
stehen Sie . . . dann friert er nicht auf der Übung . . .
ERNST: Stimmt. Sie haben ja Nachtgefecht . . .
MISTER: Bei der Affenkälte, Ernstel; bei der Affen-
kälte ...
ERNST: Mit hundertzwanzig Mann rücken Sie los ?
MISTER: Mit 120 Mann, Schlichting. Mit 120 Mann
marschier ich ab . . .
25
ERNST: Welche Kompagnie stellt den Feind?
MISTER: Nee, ne. So nicht. Feind wird markiert;
der wird markiert . . .
ERNST: Gegen Pappescheiben also geht's?
MISTER: Dagegen geht's.
ERNST: Gegen 6V2 Zielscheiben aus Pappe, ha-
ha .. .
MISTER: Aus Pappe. {Trinkt) Aus wertvoller
Pappe . . . Dagegen eröffne ich Schützenfeuer , . .
ERNST: Und — wozu?!
MISTER: Erstens müssen die vorgeschriebenen
Platzpatronen verschossen werden ...
ERNST: Und zweitens . . . ? Haha . . .
MISTER: Müssen's eben höllisch üben mit den
Kerls . . . Wenn's losgeht . . . Krieg . . . Oder ich mein . . .
die Kerls müssen doch dann treffen . . .
ERNST: Krieg?! auf dem Mond?? Wir drohen
nur . . .
MISTER: Sind 'n ulkiger Kauz . . . 'n ganz ulkiger
Kauz sind Sie.
ERNST: Gründen Sie Sportvereine! Das Vaterland
dankt's mehr. Was wollen Sie auf der Nachtübung ? . . .
MISTER: Ha, ha... Prost Ernstel! Sind doch 'n
Mordskerl {trinkt).
ERNST: Schmeckt's?
MISTER: Schmeckt. Natürhch schmeckt^s!
ERNST {steht auf): Na, — mein Friedensbedarf ist
gedeckt. Aber reichlich.
MISTER: Ha, ha . . . Übrigens . . . die Gnädigste
sucht Sie ...
ERNST: Übrigens is gut . . . Verloben Sie sich,
Mister.
MISTER: Was?
ERNST: Soll'n sich verloben . . .
MISTER: Bin doch nicht meschugge . . . bin doch
nicht toll.
ERNST: Wenn die Zeit Ölbäume pflanzt. Täubchen
muß man sich halten ...
26
MISTER: Gehn Sie, Ernst — gehn Sie! Tauben!
Täubchen! Meinen Burgunder trink ich . . ,
ERNST: Ha — {breitet die Arme sehnsüchtig nach
oben).
MISTER: Na also: Ans Herz der Gnädigsten! Prost:
Auf ruhige Tage! auf gesunde Nachkomiiienschaft . . .
Prost, Ernstel!
ERNST {springt auf ihn zu, hält ihm den Arm fest) :
Zur Tinte werd Ihr Burgunder!
MISTER {sieht ihn plötzlich fragend an): Na aber . . .,
ja — was denn . . . Ernst! Was denn . . . Ernstel! «
ERNST {geht vorsichtig zur Saaltür, kommt schnell
zurück, leidenschaftlich) : Raus muß es : Mein Vater -. . .
in meinem Alter . . . Zwei Feldzüge hatte er hinter
sich ...
MISTER: Wie sich's trifft . . . Junge . . . Wie sich's
trifft . . .
ERNST: Mein Großvater . . . mit 24 Jahren ... Ne
Kompagnie hatte er . . .
MISTER: Warum graben Sie Akten aus?. — Sie
werden eben mit grauen Haaren Kompagniechef wer-
den . . . ha, ha . .
ERNST {unbeirrt): Mit 17 Jahren . . . Mein Urgroß-
vater . . . Mister . . . den Pour le merite hatte er . . . den
höchsten Orden.
MI STER : Schwerenotnochmal !
ERNST: Ein Held mit 17 Jahren! Ein Held!
MISTER: Schockschwerebrett, Ernst . . . schock-
schwerebrett . . . {trinkt.)
ERNST: Und ich? Bin alt wie'n Esel! Kann mir
meine Zukunft berechnen ! An den Fingern abzählen . . .
Wofür trag ich den Rock! Wofür überhaupt leb' ich!
MISTER: Für den Dienst, Junge. Wie alle für den
Dienst ...
ERNST: Kenne vom Dienst alle Schikanen und
Tricks! Das heißt Soldat sein!
MISTER: Befriedigt Sie's nicht ?
ERNST: Ha, ha, ha — {schlägt mächtig auf den Tisch).
-27
MISTER: Nein? es befriedigt Sie also nicht?
ERNST: Oh doch! . . . Verdammt!
MAX (mit Gertrud, die er vorausgehen läßt; zu Mister
und Ernst im Vorbeigehen): Grasgrüne Augen! Stroh-
gelbes Haar!
ERNST {sieht Mister an) : Erlauben Sie . . . {Nimmt
sein Glas, trinkt) Zuweilen tut's gut . . .
MISTER {-plötzlich außer sich) : Schockschwerebrett . .
Schockschwerebrett ... da kommt das Frauenzimmer . . .
MARIANNE {zu Ernst, kurz) : Ihre Braut sucht Sie —
••• ERNST {lächelt) : Ich gehe ... {ab in den Saal).
MISTER {zu Marianne): Tut mir sehr leid, Gnä-
digste, tut mir sehr leid {sieht nach der Uhr). Aber ich
muß zum Dienst.
MARIANNE : Wie ? Zum Dienst ? Nachts ? Seit wann ?
MISTER: Also 's tut mir sehr leid.
MARIANNE {umarmt ihn plötzlich lachend): Regiü
MISTER {der es für ernst hält): Na ja; was nun!
So weit sind wir! So weit hat Ihr Unverstand Sie ge-
bracht . . . Schockschwerebrett, Gnädigsten . . .
MARIANNE: Was? Schockschwerebrett! Das ist
„mein Schlittenrecht" !
MISTER: Na ja in allen Ehren ... So was hab ich
noch nicht erlebt! Schlittenrecht! Ach Gott, gehen
Sie doch . . . Schlittenfreiheit . . . Ihr Frauen seid alle . . . ,
mit euch ist überhaupt nicht zu reden . . . nicht zu
disputieren, weil ihr keine Logik kennt . . . weil ihr
mit dem Herz denkt, statt mit dem Verstand.
MARIANNE: Liebst du mich nicht ?
MISTER: Ach Gott, ich denke auch gar nicht dran.
Eintreten ins Hungerproletariat . . . ins . . .
MARIANNE {plötzlich ernst): 's war ja nur Spaß . . .
warum gleich so derb . . .
MISTER {lustig): So . . . Spaß war's . . . Na ja, ihr
Frauen seid eben unberechenbar . . . Spaß war's, das ist
was anders. Hier, bitte — die andere Backe . . . was ?
Wollen Sie jetzt nicht — dürfen ruhig küssen. Gnädig-
ste . . . Jetzt dürfen Sie ruhig küssen.
28
MARIANNE: Mit wem sprechen Sie!
MISTER: Also nun tut's mir aber wirklich leid . . .
{Sieht aus dem Fenster.) Die Kompagnie tritt schon an . . .
{Küßt ihr die Hand.) Spaßvogel {H. Jürgen erscheint
in der Saaltür). He! Jochen, kommen Sie mal her . . .
HANS JÜRGEN: Hm?
MISTER: Nehmen Sie sich Ihrer Dame mehr an . . ,
{Zu Marianne.) Daß Sie so witzig sein können . . . also
das hab' ich noch gar nicht gewußt . . . hab ich keine
Ahnung gehabt. Mein KompHment . . . ! Adieu, meine
Gnädigste ... Man nimmt euch Frauen eben immer zu
ernst . . .haha . . .viel zu ernstnimmtman euch...
HEDWIG {mit den sechs Mädchen kommt zurück).
STIMMEN: Nicht gefunden!
HEDWIG {bemerkt Mister): So, zur Strafe schenk'
ich Ihnen die Rosen nun doch ! Ha, ha . . . hier ... die
letzten . . .
STIMMEN: Wir suchen ihn! Kommt! {Alle mit
Hedwig ab unter Hallo.)
MISTER {völlig verwirrt, sieht bald die Rosen ä«, bald
Hedwig nach) : Zur Strafe . . . Schwerenotnochmal . . .
zur Strafe . . .{Langsam in den Korridor ab zum Dienst.)
MARIANNE {still).
HANS JÜRGEN {setzt sich zu ihr) : Haben Sie Kopf-
weh ?
MARIANNE {antwortet nicht).
HANS JÜRGEN: Warum sind Sie mir fortgelaufen ?
MARIANNE: Migräne!
HANS JÜRGEN: Wahrhaftig? Migräne. Tut mir
leid. Das sticht wohl im Kopf . . . was ? sehr? Sagen Sie
mal . . . ist's sehr toll ?
MARIANNE {bewegungslos).
HANS JÜRGEN: Du armer kleiner Fratz . . .
MARIANNE: Ich bin nicht du für Sie.
HANS JÜRGEN: Albernheiten . . . Heut is Schlit-
tenfreiheit.
MARIANNE {springt auf) : Wir haben keine Schlit-
tenfreiheit mehr . . . {will ab).
29
HARRY {vertritt ihr den Weg).
MARIANNE: Lassen Sie mich (will vorbei).
HARRY: Mademoiselle, dürft ich Ihre Kammerzofe
sein ?
MARIANNE {wütend) : Oh. — Je n'aime pas des fem-
mes de chambre du sexe mascuHn {macht sich frei; ab).
HARRY {hinterher): Ha, ha, Teuerste, je ne peus!
pas changer mon sexe . . . {ab).
HANS JÜRGEN: Ordonnanz!
MAX {schadenfroh, mit Bezug) : Jochen — ! Tatsäch-
lich — ■ Grasgrüne Augen!
HANS JÜRGEN: Wegen mir Krötenaugen . . .
MAX {leise) : Muß man eben ganz anders fingern —
HANS JÜRGEN: So so . . .
MAX: Höre . . .
HANS JÜRGEN: So — {schlägt auf den Tisch).
MAX {ängstlich zu Gertrud).
HILDE {im Gespräch mit Edgar) : Mit Ihrer ewigen
Musik . . . Langweilen mich.
EDGAR {sucht ihre Hand) : Gnädiges Fräulein
HILDE {bemerkt Gertrud und Max) : A — Baron
Werckmeister. {Läßt Edgar stehn, auf beide zu).
EDGAR {sieht ihr nach . . . nimmt einen müden Aus-
druck an . . . geht auf Hans Jürgen zu; nach Pause . . .):
Hast du — — Curt Globinsky gesehen ?
HANS JÜRGEN {noch völlig verärgert): Bin ich ein
Aussichtsturm ?
EDGAR: Pardon . . . {gereiz^
HANS JÜRGEN: Ordonnanz!
EDGAR {zündet sich Zigarette an) : Mal wieder 'n
amüsanter Abend . . . {Ab.)
HILDE {steht bei Gertrud) : Bin müde . . .
MAX: Abgespannt!
GERTRUD: Wolln uns setzen . . .
MAX {wegen seiner Hosen): Ich stehe lieber.
HILDE: Na, besser als tanzen war's doch,
MAX: Ich denke auch, daß ne vernünftige Seele an
dem Herumhopsen keinen Gefallen finden kann . . .
30
HANS JÜRGEN (ist aufgestanden) : Ist keine Ordon-
nanz da!
HILDE (zu Max) : Setzen Sie sich doch . . .
MAX (wegen seiner Hosen) : Ich stehe gern . . .
HILDE : Was zeichnen Sie eigentlich immer so eifrig ?
V. FAVARGER: Nichts von Bedeutung.
GERTRUD: Dichten tun Sie ja auch, wie ich höre?
MAX (v. Favarger glossierend): Nicht von Bedeu-
tung . . . Unser Favarger steht über dem gewöhnlichen
Dilettantismus . . .
v. FAVARGER: Man muß doch etwas nebenbei be-
treiben,
ORDONNANZ (zu Hans Jürgen).
HANS JÜRGEN: Auch so'n Burgunder. (Ordonnanz
ab.)
CURT v. GLOBINSKY (mit Zigarre; — strahlend):
Kerlchen, ne Schiebung gemacht ...
HANS JÜRGEN (bewegungslos).
CURT: Borkes Rappen für 800 Mark ... Du! so'n
kapitales Pferd sieht ganz Arabien nicht mehr. Für
800 Mark. — Zwei braune Lappen is der wert. — Ich
setz mich zu dir —
HANS JÜRGEN: Immerzu.
CURT : Stumpfsinnig ist's Dir wohl ?
HANS JÜRGEN: Hm.
CURT: Herzblättchen...
HANS JÜRGEN: Hm, hm . . .
CURT: Was hast du denn, mein Kerlchen?
HANS JÜRGEN: Ich? Nischt! Gar nischt!
V. FAVARGER (setzt sich dazu, beginnt zu zeichnen,
zu Hans Jürgen) : 'n bißchen . . . links . . . den Kopf . . .
ORDONNANZ (bringt Burgunder und Glas). (Jb.)
CURT: Jocheken! ...
HANS JÜRGEN: Laß! (Gießt sich ein).
V. FAVARGER: So . . . dein Profil ...
CURT : Wenn ich Maler wäre und 'ne Madonna zu
malen hätt' . . . so ne doloreuse . . . Kerlchen . . . ich
würd dich zum Modell nehmen . . . ha, ha . . .
31
HANS JÜRGEN: Laß deine Witze . . .
GERTRUD {zu Max) : Warum tragen Sie das Mo-
nokel ?
MAX: Ich gestehe, ich sehe die Welt anders dadurch.
BEIDE: Ha, ha.
MAX: Es siebt das Gesichtsfeld ...
ALLE (lachen . . . stehen auf, gehen ab) . . .
MAX: Nein, nein . . . mir ist nichts so zuwider, als
Eitelkeit . . . {Ab)
CURT {der Hans Jürgen die ganze Zeit über beobachtet
hat, schmunzelnd): Jocheken . . . Wenn ich jetzt „Ra-
phael" war . . .
HANS JÜRGEN: WiUst wohl {auffahrend).
V. FAVARGER {zeigt seine Skizze).
CURT {betrachtet die Skizze) : Glänzend . . . Wo
hast du das gelernt . . .
V. FAVARGER: Auf den Iktus kommt's an, so was
erlernt man nicht.
CURT u. HANS JÜRGEN {lachen).
HARRY {innerlich sehr erregt, -platzt unvermittelt her-
eift) : Also Kinders : der Oberst ist da . . . eben gekom-
men . . .
HANS JÜRGEN: Wegen mir {trinkt).
HARRY: Na ja . . . ich meinte ja bloß . . . Verzeiht,
wenn ich Euch gerade in angeregter Unterhaltung störe
— ich gehe schon wieder . . .
, CURT: Harrychen, warum so kratzig? . . .
i HARRY: Ich?! Bin ich vielleicht kratzig ?
HANS JÜRGEN: Nein, bei Leibe ... nein .. .
I Gott bewahre . . .
HARRY: Ä ... Hell ist's hier ! Überhaupt ungemüt-
lich! . . . mit den Damen . . . alles Gänse . . ,
HANS JÜRGEN {ehrlich mit Bezug auf Marianne) :
Puten! Mit Ehrpußlichkeit gemästet . . .
HARRY: Tanzbein hab ich mir auch abgelaufen . . .
Was soll man treiben ? Schlage vor, wir machen 'n
Jeuchen !
CURT: Kerlchen, jetzt, wo der Oberst hier ist?
32
HARRY: Grade!...
HANS JÜRGEN: Harry!
HARRY: Spielen will ich!
CURT: Wenn der alte Raff uns sieht . . .
HARRY : Unterhält sich mit Eckbrecht übers nächste
Kriegsspiel . . . Gegend bei Metz . . . ha, ha , . . Ordonnanz !
HANS GÜRGEN: Also: Los!
HARRY: Spielkarten!
ALBRECHT: Zu Befehl!
HANS JÜRGEN: Anständige!
ALBRECHT: Wohl.
HARRY: Die letzten konnte man nur mit Hand-
schuhen anfassen ...
ALBRECHT: Werde die neuen bringen . . . {Ab)
EDGAR {stutzt): Curt!
. CURT: Ja, Kerlchen? — Ich spiel jetzt . , .
EDGAR: Wir wollten doch in die Oper . . .
HANS JÜRGEN {beiläufig, mitleidig): Wirst du
immer versetzt ?
EDGAR: Nabend . . . {Will verstimmt ab)
. ALLE: Dieu! dieu!
ALBRECHT {bringt Karten): Oie Karten . . .
EDGAR {eindringlich — bittend) : Curt — adieu
CURT {überhörts, mit Mischen beschäftigt).
EDGAR: Denn nicht! {Geht traurig, langsam ab —
bleibt stehn . . . geht dann mit erneutem Entschluß, voll
Widerwillen zu den Tanz.enden)
V. DOSSE {weinselig auf Edgar zu) : Komm, ich muß dich
umarmen . . . Ich hab' das Bedürfnis, dich zu umarmen . . .
EDGAR: Das ist sehr gut von dir. {Ab in den Saal.)
V. FAVARGER {zu v. Benckendorff, der ihm beim
Zeichnen zusieht . . .): Stör' mich nicht . . .
V. BENCKENDORFF: Seh' ja bloß zu .. .
V. FAVARGER: Türlich! {wirft den Bleistift auf den
Tisch). Wieder die Spitze abgebrochen.
V. DOSSE : Wenn die Spitze abgebrochen ist . . . denn is
das bedauerlich . . .{er summt während des ganzen Spiels vor
sich hin).
3 33
ALBRECHT {kommt herein).
HARRY: Bitte Albrecht . . . Lassen Sie auch Leuch-
ter bringen . . . diese Gasbeleuchtung ist widerlich.
ALBRECHT: Wohl.
HANS JÜRGEN: Werd mischen . . .
ORDONNANZEN {bringen Kerzen, Gasbeleuchtung
wird ausgelöscht).
CURT: Was wollen wir spielen?
HANS JÜRGEN: Mir wurscht . . .
HARRY: Schlage „Makau" vor . . .
HANS JÜRGEN: Schön.
ALLE: Gut!
HARRY: Anfangen!
CURT: Sei nicht so kribblig.
HARRY: Langweilig seid Ihr.
HANS JÜRGEN: Nur die Ruhe kann es machen.
HARRY: Fertig mit mischen?
HANS JÜRGEN: Werd die Bank nehmen.
HARRY: Ob du fertig bist?
HANS JÜRGEN: Ja! Donnerwetter.
HARRY: Mein bloß: Soll nämlich schon mal einer
beim Mischen gestorben sein.
HANS JÜRGEN: Als saß dir der Satan im Genick.
CURT: Is doch kein Wettspiel.
HANS JÜRGEN: Also; Einzahlen!
HARRY: Wer gibt?
HANS JÜRGEN: Mensch!
CURT: Hans Jürgen natürlich . . . Hat doch die Bank.
HARRY; Ja, ja . . . Hab gesetzt . . .
CURT: Zehn gegen zehn.
HANS JÜRGEN: Curt kriegt fünfmal zehn. {Zahlt
aus.) {Draußen hört man Kommandos etwa) :
Kommando von MISTER: Erste Gruppe grade —
aus. — Mit Gruppen links schwenkt marsch . . . Halt!
Kompagnie Marsch!
CURT {sieht aus dem Fenster).
HANS JÜRGEN: Wer kräht da?
CURT: Der Mister rückt ab.
34
HANS JÜRGEN: Is wohl vom wilden Soldaten ge-
bissen. '•M
CURT {ans Fenster) : Wie sie strampeln . . . Feste
links! links! ha, ha . . . Feldmarschall wird unser Mister-
chen mal . . .
HANS JÜRGEN: Bei dem Avancement —!
CURT (immer noch begeistert am Fenster): Ein Bild.
Sehts Euch an, Kerlchen . . .
HANS JÜRGEN: Seh 's am Tage genug . . .
CURT: Lieb Vaterland magst ruhig sein .. .
HANS JÜRGEN: Schwitzt patriotische Tränen aus
allen Poren, ha, ha . . .
HARRY (ungeduldig : Spielen wir, oder nicht ?
CURT: Ja! — also: Plus!
HANS JÜRGEN: Harry! '
HARRY (zögert, dann): Ordonnanz! Sekt!
HANS JÜRGEN: Willst du nicht setzen ?
HARRY: Plus!
HANS JÜRGEN: Setz, Mensch!
HARRY (trinkt hastig zwei Gläser, — unnatürlich
lustig: Da — wechseln Sie den Blauen ... (Wirft einen
Schein auf den Tisch)
HANS JÜRGEN: Donnerwetter!
CURT: Erhalt mir dein Wohlwollen, Kerlchen . . .
HANS JÜRGEN: Dreimal sechs. Schlag angenom-
men —
HARRY: Wirklich, von einer entsetzlichen Lang-
weiligkeit spielt Ihr . . .
HANS JÜRGEN: Was denn. (Gibt weiter aus.)
CURT: Darf keinen Satz riskieren . . .
HARRY: Plus!
CURT: Kerlchen, gebe nich . . .
HANS JÜRGEN (zu Gurt): Sie haben Schlag . . .
CURT: Hier zwanzig Mark.
HARRY: Ne Spielerei is das.
HANS JÜRGEN: Bitte.
CURT: Haha.
HANS JÜRGEN: Dreimal acht (zahlt Gurt aus).
3» 35
HARRY {zu Curt): Hast wieder 'n Dusel.
CURT (sehr gemütlich schmunzelnd) : Darf ich mal 'n
Streichholz ?
HANS JÜRGEN: Stoff! He! Ordonnanz!
HARRY: Weiter!
HANS JÜRGEN: Erst trinken . . .
HARRY: Weiter, Kinders, weiter . . .
HANS JÜRGEN (trinkt . . . Ordonnanz stellt Ge-
tränke hin): Nu woll'n wir mal den Curt wieder hoch-
nehmen . . .
CURT: Bitte.
HANS JÜRGEN: Wirst sonst übermütig . . .
ERNST und GRAF ECKBRECHT DEMMIN
(treten ein, bleiben stehen — Ernst bringt kein Wort heraus,
wie er Harry am Spieltisch sitzen sieht . . .)
ECKBRECHT (/&«rz): Harry! —
HARRY (ohne auf zusehn) : Herr Graf befehlen ?
ECKBRECHT: Willst du mich anhören?
CURT: Stört uns nicht, Kerlchens.
HANS JÜRGEN : Was habt ihr denn (teilt Karten aus).
Tanzt lieber ...
ECKBRECHT: Henner, ich komme vom Oberst . . .
HARRY: Weiß Gott, interessiert mich wenig . . .
ECKBRECHT: Du! Im Auftrag des Oberst bin
ich hier , . .
HARRY (sieht auf): A — ! Dienstlich? (starr, dann
gleich mit Fassung, lachend-) Muß ich meinen Helm holen ?
ECKBRECHT: Seid einfach verdreht ... Nehmt
Vernunft an . . .
HANS JÜRGEN : Erbärmlich, immer vernünftig sein.
CURT : Was soll man treiben ?
HANS JÜRGEN: Immer tanzen?
CURT: Sag es. Kerlchen — sag es nur.
HARRY: Ja, sag's doch
ECKBRECHT: Der Oberst ist empört, daß du hier
auf dem Fest bist ...
HARRY (imr- Spiel): Die zehn halte ich.
HANS JÜRGEN: Jeden Morgen: Aufstehn — drei
}6
Uhr! Wird man wohl mal sein Vergnügen haben
können . . .
ECKBRECHT: Henner!!
HANS JÜRGEN: Gemacht! (im Spül).
CURT: Plus!
HANS JÜRGEN : Man is doch so zusagen auch noch
Mensch.
V. DOSSE : Da hat Jochen recht, . . . doch wir sind sozu-
sagen . . . Menschen . . . Das könnte ich feste betrinken . . .
ECKBRECHT (unbeirrt): Henner!!!
HARRY: Also laß einem seinen Spaß.
ECKBRECHT: Wenn du's nicht anders willst: Der
Oberst befiehlt dir, in deine Wohnung zu gehn.
HANS JÜRGEN: Der Blitz schlag ein . . , (Dann un-
beirrt im Spiel) Curt hat Schlag, ha, ha . . . (^ibt ihm Geld).
HARRY: So viel Geld!
HANS JÜRGEN: Hast Pech!
HARRY: Schweinepech!
ECKBRECHT: Ich erinnre dich dran ...
HANS JÜRGEN: Prost! Schneid' keine, solch dienst-
liche Fratze.
ECKBRECHT: Harry! Du sollst das Fest verlassen!
's ist ein Befehl.
HARRY: Also, Kinders, machen Bank.
HANS JÜRGEN {zu den andern)-. Einzahlen! Zwei
grüne noch, Harry!
HARRY (wendet sein Portemonnaie nach allen Seiten) :
Bedaure ...
ERNST {der die ganze 7,eit unbeweglich dagestanden,
bricht in Hohngelächter aus).
ECKBRECHT: Und die hundert Mark?
HARRY: Weiß der Henker!
ECKBRECHT {lacht ironisch).
HARRY: Spielverderber ! wirst's schon wieder kriegen !
ECKBRECHT {zuckt die Achseln). .
CURT: Da — Kerlchen — nimm's zurück — ; mir
ligt nichts dran — war nur 'n Zeitvertreib . . . {schiebt
ihm das gewonnene Geld zu).
37
ECKBRECHT: Nein!
HARRY: Was mischst du dich rein? Wozu ist das
verfluchte Geld da ?
ERNST (hart): Nicht, damit andre deine Schulden
bezahlen ...
HARRY {ist aufgesprungen, . . . bleich . . . zitternd,
dann plötzlich — mit Galgenhumor) : Ha, ha, .. . . also,
was für Wünsche hast du ? Ich brauche morgen nicht
zum Dienst ?
ECKBRECHT: Nein, du bist vom Dienst suspendiert.
(^Jlle springen erschrocken auf — Pause.)
CURT: Was?
HANS JÜRGEN: Red nich in Fremdwörtern,
Mensch ...
V. FAVARGER Qeise) : Holla . . .
V. DOSSE {zieht v. Favarger mit sich): Komm . . .
HARRY (t^^rjzVÄ unzvillkürlich an denHalsfaßt,bewegt — ,
dann) : Kann ich mich endlich mal ausschlafen . . .
HANS JÜRGEN : Bravo ... ha, ha . . . kann er sich
ausschlafen ... Gratulier dir . . . {gibt ihm gezwungen
lachend die Hand). Du kannst so bleiben . . .
CURT: Kerlchen, bist von dem Holz, aus dem man
große Männer schnitzt ...
HARRY {zu Eckbrecht): Bitt' dich! Schickt mir
keinen Pfarrer auf die Bude, ha, ha . . . {schnell ab).
{Verlegene Pause.)
HANS JÜRGEN {niest un.ständlich) : Hapschii! Hap-
schiii! . . . Donnerwetter: Hapschiiii ii
CURT: Häschen, ein Walroß is'n Waisenkind da-
gegen ...
HANS JÜRGEN: Dank meinem Schöpfer, daß ich
keine Nachtübung hab' —
ECKBRECHT: Licht! {es wird die gleiche Beleuch-
tung wie vor dem Spiel gemach^.
CURT (^eht).
HANS JÜRGEN: Wohin?
CURT: Stall...
HANS JÜRGEN: Zum Mohammed?
38
CURT: Ein Pferdchen ist das! {beide ab).
ERNST {am Kamin — in Gedanken).
ECKBRECHT {geht auf ihn zu — neben. ihm): Un-
verbesserlich! Unverantwortlich! Versteh' ihn nicht!
Warum ist er aber auch so bodenlos leichtsinnig . . .
ERNST : Ja Warum ? ! ? ! {wendet sich ganz.
zum Kamin, stützt Kopf in beide Arme).
ECKBRECHT {zögernd): Warum??
ERNST {antwortet nicht).
ECKBRECHT: Und du scheinst dich nicht mal
drüber zu wundern ?
ERNST: Wundern?? ha, ha . . . Es muß ja alles
so kommen ...
ECKBRECHT: Wie?
ERNST: öd!..., trostlos!.,, {breitet leidenschaft-
lich beide Arme nach oben). Pulver! {Die Walzermusik
hört auf — Herren und Damen kommen in ungezwungener
Unterhaltung aus dem Saal — Ordonnanzen reichen Brötchen
und Tee)
ERIKA {nimmt von Favergar ein Taschentuch fort):
Was woU'n Sie überhaupt . . . Wir sind von preußischem
Uradel —
V. FAVARGER {im Ulk) : Ganz gleich . . . fünf
Zacken . . . Mein Bursche wird Ihnen zwei raustrennen.
ERIKA: Papa hat mir's sticken lassen . . . Papa is
General, er muß es besser wissen . . .
V. FAVARGER: Wieso muß?
ERIKA: Weil er General ist.
V. FAVARGER: Nur fünf, sieben Zacken sind falsch.
ERIKA: Unausstehlich sind Sie heut . . . {geht nach
rechts zu einer Gruppe von Damen).
HANS JÜRGEN {der das Gespräch mit angehört hat,
deutet auf den Kopf): Seid beide —
V, FAVARGER: Weshalb?
HANS JÜRGEN: Wenn von jeder Zacke ne MiUion
blinzelte . . . Meinswegen — ! So ? hier im Koppe .. .
V. FAVARGER: Wenn du ahntest, wie schnuppe
es mir ist — .
39.
HANS JÜRGEN: Und dann redst de drei Stunden
— bis de krebsrot wirst — drüber ?
V. FAV ARGER: Man muß doch Unterhaltung
machen.
HANS JÜRGEN: Da hast du recht . . .
GÖTZ {umringt von Offizieren).
OFFIZIERE: Ha, ha . . . Doktorchen . . .
GÖTZ: Lache Se nur . . . Hab' mich halt viele Jahre
nit mehr nach e Walzer gedreht . . . Herrschafte . . . is
des e Vergnüge . . . !
V. PLOTO: Ein Pfarrer muß tanzen können ...
GÖTZ: Ha nu, Sie meine, weil er sonst immer
nach der Flöte tanzen muß . . .
OBERST {der von links eingetreten ist — und die
letzten Worte gehört hat — klo-pft Götz auf die Schulter^
lachend): Man sagt, die Schwaben werden erst mit
vierzig Jahren klug ...
GÖTZ: Ha nu . . . dafür habe se doch aber e Aus-
sicht, überhaupt e mal klug zu werden.
OFFIZIERE: Bravo ... ha, ha.
GÖTZ: Nichts für ungut, Herr Oberst . . .
OBERST (lachend) : Sie machen mir meine Herren
noch toll {ab in den Saal).
'OFFIZIERE: Ha, ha — ha.
GÖTZ {ein wenig verdutzt über des Oberst Wort):
Herrschafte — gehe wir danein — da is' gemütlicher . . .
Woll'n e Rheinwein mitnander trinken ...
OFFIZIERE: Bravo!
GÖTZ: Herrschafte, so e Rheinwein . . . Himmel-
nochemal !
V. DOSSE: Herrschafte so e Pfarrer — Himmel-
nochemal {alle lachend ab nach links).
FRAU V. RÜXLEBEN {am Arm des Oberst) : I Gott
bewahre, is doch garnicht drüber zu sprechen, mein
guter Oberst ... Is doch heller Unsinn . . . kann ich
nu mal nicht helfen . . .
OBERST: Er kommt auch nicht hin. Der Andrang
zu dem Kommando ist zu groß.
40
FRAU V. RÜXLEBEN : Kann nicht helfen . . . Heut
woU'n sie alle fliegen . . . können wir uns nachher die
Suppe allein kochen . . .
OBERST: Und der Oberst wird künftig Rekruten-
dienst tun, ha ha.
FRAU V. RÜXLEBEN: Ach Gott ne, is ja doch
heller Blödsinn . . . Ein Bräutigam und in die Luft,
is doch nicht auszudenken . . . kann ich nu mal nicht hel-
fen . . . Überhaupt die jungen Leut ... 's nicht mehr
die alte Zeit ... ne, ne mein guter Oberst . . . {Sechs
Mädchen . . . Hedwig als Sprecherin — alle um den
Oberst.)
OBERST: Na Weibchens?! {zwickt ein Mäd-
chen in die Backe).
ALLE: Herr Oberst! Herr Oberst!
OBERST: Was denn „Herr Oberst" — U — Schmet-
terlinge.
FRAU V. RÜXLEBEN: Lustges Völkchen . . . wenn
ihr nicht 'n paar tüchtige Hausfrauen werdet . . .
EIN MÄDCHEN: Und sechs Jungens kriegt . . .
ALLE {lachen).
HEDWIG: Unter dem will's Papa nicht . . .
OBERST: Mädel! ... und alle .. . werden . . . Offi-
zier . . . !
ALLE: Zu Befehl...
HEDWIG {schmeichelt): Dürfen wir noch bleiben?
OBERST: Schmeichelkätzchen, darauf läuft's raus . . .
i^u Frau v. Rüxleben-) Soll'n wir noch Urlaub be-
willigen ?
ALLE: Bitte! Bitte!
FRAU V. RÜXLEBEN: Türlich, türlich {zu den
Mädchen) Ach Gotte ne, seid doch nicht von Porzellan . . .
ALLE: Ha, ha —
FRAU V. RÜXLEBEN: Aber morgen pünktlich
den Kaffee gemacht!
ALLE: Ha, ha — ha.
FRAU V. RÜXLEBEN: Ja, ja ... kann ich nicht
helfen ...
41
OBERST: Na, dann lauft, Mädels!
HEDWIG {küßt ihn stürmisch, die andern umringen
ihn . . . unter Hallo . . . alle ab).
FRAU V. RÜXLEBEN: Können stolz sein . . .!
OBERST: Mein Hetelchen . . .
FRAU V. RÜXLEBEN: Aber Disziplin! Auch bei
den Weibern. Eisern — Herr Oberst — , ja, ja, kann
nu mal nichts helfen . . .
(Beide lachend ah nach links)
HILDE {mit Gertrud und Max): Wann halten Sie
Ihren Vortrag denn ? . . .
GERTRUD: Ach — reizend werden Sie reden ...
MAX: Ich gebe zu, daß ich ein leidlicher Redner bin . . .
HILDE : Sie kommen gewiß in den Generalstab hinein ...
MAX: Zweifeln Sie? und wie mich das „rot" an
den Hosen gut kleiden wird! . . . {fachend alle ab).
OBERST {und Ernst) : Lieber Junge . . . Leb' dich
in den Gedanken erst gar nicht ein . . .
ERNST (grübelt).
OBERST: Keine Faltenstirn, Bengel . . . Der An-
drang zu den Fliegern ist eben zu groß ...
ERNST: Vater . . .
OBERST (abschneidend) : Brauch' meine Offiziere zum
Dienst . . .
ERNST (stiir).
OBERST: Grüble nicht! Finde dich drein . . .
(im Saal Walzermusik).
OBERST (klatscht in die Hände): Na, die Herren
Leutnants: Tanzen!
OFFIZIERE (stürmen in den Saal, hinter ihnen Götz).
OBERST: Götz!
GÖTZ: Herr Oberst?
OBERST (geht mit ihm an den Kamin).
V. FAVARGER (von links — eilig nach rechts hinten) :
Los ! Los ! . . . anzieh'n ! Es ist Zeit !
V. BENCKENDORFF: Wo sind meine Verse?
V. FAVARGER (zieht aus dem Ärmel ein geknülltes
Pa-pier, wirft es ihm hin): Da — ! (Ab)
42
V. BENCKENDORFF {hebt es betrübt auf, — zu
Max): Er hält nicht viel von meiner Begabung...
MAX {nimmt den Zettel, dann fr ote gierend) : Gib ! ich
werde dir zum Siege verhelfen, so gewiß ich zwei g'rade
Beine habe . . . {Liest) : „An diesem kalten Wintertag —
Wo Wald und Land im Schneebett lag" ... — „Schnee-
bett" ist 'n Ausdruck, der über dem gewöhnhchen Di-
lettantismus steht . . . {^b.)
V. BENCKENDORFF {glücklich): Du beschämst
mich. {Hinterher ab)
OBERST {gedämpft): Götz, ich weiß, daß Sie 'n
rechtgläubiger Christ sind . . .
GÖTZ: Herr Oberst . . .
OBERST: Ich weiß's . . . andre wissen's nicht . . .
die Luft hat Ohren . . . Man kontrolliert Sie im Gottes-
dienst . . .
GÖTZ: Ha, ha . . . Solle sie's tun . . .
OBERST: Möcht Sie gern warnen ...
GÖTZ {gibt ihm die Hand) : Herr Oberst ... ich
danke Ihne von ganzem Herzen . . . aber, was ich
pred'ge, das vertret' ich auch . . .
OBERST: Ha, ha. Woll'n uns nichts vormachen . . .
GÖTZ: Niemals! ... uns nit ... aber, Herr
Oberst, auch den geduldigen Schaf in der Gemeinde nit . . .
OBERST: Sie wissen ja, was Sie tun ...
GÖTZ: Solang Pfarrer Götz auf der Kanzel steht
. . . Geist und Herz frei von alle Ballast ... So nur
finde wir den da drobe ... den Lebendige!! Und
auf den nur kommt's an.
OBERST {giht ihm die Hand — dann ablenkend zu
Frau V. Rüxlehen, die herein kommt) : Gnädigste Frau . . .
{bietet ihr den Arm an).
FRAU v. RÜXLEBEN: I Gott, sein Sie doch nich
komisch ...
OBERST: Sie beschämen noch alle . . .
FRAU V. RÜXLEBEN: Wie der jüngste Leutnant!
. . . Ich soll tanzen . . . 'ne alte Person, wie ich! Sind
ja wirklich ganz komisch!
\
43
OBERST {komplimentiert sie unter Lachen in den Saat).
GÖTZ {rückt sich am Kragen).
OFFIZIERE : Doktorchen ... Vorwärts ! . . . {wollen
ihn in den Saal zum Tanzen holen).
GÖTZ: Muß e bißche an die Luft . . . {ab).
ECKBRECH.T {bleibt zurück, geht zu Ernst, der vor
sich hinstarrt): Was wollte der Oberst von dir?
ERNST: Wieder nichts!
ECKBRECHT: Etwa wegen deines Fliegerkomman-
dos ?
ERNST: Wieder mal vorbeigeträumt . . .
HANS JÜRGEN {aus dem Saal): Tanzt ihr nicht?
ERNST {antwortet nicht).
HANS JÜRGEN: Ob Ihr nicht tanzt . . . Kinders?
ERNST: Was? Natürlich... Toll! {stürmt ab,
Hedwig kommt entgegen).
HEDWIG: Endlich... Wohin?
ERNST: Tanzen, . . . wozu anders lebte man
sonst . . .!
HEDWIG: Nicht so wild!
ERNST {reißt sie mit sich in den Saal).
V. FAVARGER {im Phantasiekostüm vom Korridor mit
Max).
MAX: Und du meinst, ich soll die Reime kunst-
gerecht deklamieren? So zum Beispiel: ,,An diesem
kalten Wintertag etcetera ?"
V. FAVARGER {vor dem Spiegel): Ich mein': Ihr
solltet mich nicht so kunstgerecht eingeschnürt haben ...
MAX : Was ? {vor dem Spiegel) : Linie is das ! Schick !
oder willst du rumlaufen, wie 'n aufgeblasner Frosch ?
V. BENCKENDORFF {aus dem Saal): Anfangen.
{^b mit V. Favarger in den Saal)
CURT {kommt herein — zu Eckbrecht): Dein Rappe!!
— gefesselt wie'n Reh! . . . wie appetitlich er äpfelt . . .!
Großartig!
ECKBRECHT: Nur mit Kreuz auf ihm arbeiten . . .
CURT: Will ihn zum Trainer geben. Soll schon
im Sommer auf der Rennbahn gehen ...
44
ECKBRECHT: Also: nicht mit Schenkeln! Im
Maul: weich!
MAX {wie er die Unterhaltung von Curts Rappen höri) :
Ich hab' ihm vorhin die Schenkel gestreichelt . . . aber
das Vieh is ja heimtückischer, wie 'n gewöhnlicher
Esel ...
ECKBRECHT: 'n Pferd is 'n wildes Tier . . ., das
dem Menschen nach dem Leben trachtet . . .
MAX: Ach was . . . Trachtet! Trachtet! Meine
neuen Lackstiefel sind einfach ruiniert . . . von dem ge-
wöhnlichen Esel . . . {^rollernd) : Und ich hab ihm doch
nur auf die Schenkel geklopft . . . {Ah in den Saal.)
CURT: Verlaß dich drauf (lacht — , umarmt Eck-
brecht scherzend). Adjutantchen!! Bin quietschvergnügt
über den Kauf! (zvill gehen).
EDGAR {mit Hans Jürgen, freudig): Curtü
CURT {sieht sich um) : Nun ? . . . Kerlchen, habe
wahrhaftig keine Zeit — {tanzt in den Saal).
EDGAR ^ sieht ihm nach mit resigniertem Lächeln).
HANS JÜRGEN {zu Eckbrecht, auf Edgar deuteni) :
Läuft immer allein rum . , .
ECKBRECHT {daraufhin zu Edgar): Mal los: Det-
lef fson: auch an die Mädels ran!
HANS JÜRGEN: Die Weiber haben ne feine Witt-
rung! Mußt derb auftreten — dann kommen sie leise
getrippelt ...
EDGAR: Bemüh dich nicht . . ,
ECKBRECHT: Viel zu schüchtern bist du noch
{setzt sich rechts in einen Sessel).
EDGAR: Ich geh auf meine Bude . . .
HANS JÜRGEN: Nanu?
EDGAR {faßt Hans Jürgen an den Schultern — leise) :
Wenn ich mich mal erschieße , . . {dann plötzlich ver-
zweifelt lachend). Die Bowle war gut . . . {rennt ab).
HANS JÜRGEN: Das merkt man!
ECKBRECHT: Na? ...
HANS JÜRGEN {deutet lächelnd auf die Stirn):
Hier!!! {ab).
45
[ ERNST {mit Hedwig)'. Setz dich!
ECKBRECHT {ist aufgesprungen): Aber, gnädiges
Fräulein! . . .
HEDWIG: Um mich herum dreht sich noch alles!
Haben ... so viel getanzt . . .!
ERNST: Verträgst eben solche Feste nicht!
HEDWIG: Schönes Soldatenmädel . . . ha, ha . . .
ERNST: Wir leben sonst ja so still {küßt ihr die
Hand), so friedlich.
HEDWIG. War' nur das Manöver vorbei . . . daß
ich dich immer bei mir habe . . .
ECKBRECHT: Ha, ha . . .
HEDWIG : Lachen Sie nicht ! . . . Solch lange Brautzeit !
ERNST: Und du glaubst, daß nach dem Manöver
für uns die Seligkeit beginnt ? ?
HEDWIG {zu Eckbrecht): Vor Ihnen eine Liebes-
szene . . . ha, ha . . .
V. FAVARGER {kommt mit Körben voll Margueriten
aus dem Saal, dahinter Max und v. Benckendorff, der an
der Tür die Wirkung seiner Verse beobachte^.
V. FAVARGER {stellt sich vor): Fortuna!
HEDWIG: Lustig ist das!
MAX: Ja, Mademoiselle : Fortuna mit den Margue-
riten . . .
HEDWIG: Wieviel müssen wir kaufen?
MAX: Margueriten wählte die Dame, weil Mar-
guerite eine zeitgemäße Blume ist, mit der man sein
Glück machen kann.
V. FAVARGER: Wenn's glückt ...
ERNST: Narrheiten!
HEDWIG: Laß! Mich amüsiert's!
V. FAVARGER {beginnt zu singen) : „An ^em kalten
Wintertag" etc.
V. DOSSE {ganz mit Blumen besteckt . . . kommt selig
aus dem Saall): Bin einfach erschlagen: Jede Dame hat
mir 'ne Marguerite geschenkt . . .
CURT {sehr eilig): Mein gnädiges Fräulein . . . par-
don, dies tete ä tete muß ich stören.
46
HEDWIG: Bitte, bitte...
CURT (ZM Eckbrecht)'. Gxzi — der Oberst will dich
sprechen . . .
ECKBRECHT: Gleich?
CURT: Sofort!
ERNST: Schon wegen Harry?
CURT: Weiß nich {nimmt Eckbrecht am Arm).
Komm ...
{Beide ab.)
ERNST: Der Oberst? {steht auf).
HEDWIG {zieht ihn auf den Stuhl): Sitzenge-
blieben !
ERNST {beißt sinnend an der Oberlippe).
HEDWIG : Was beißt du an deiner Lippe rum ?
{küßt ihn).
ERNST: Nicht . . . Wenn jemand käme!
HEDWIG: Is doch kein Unrecht!
ERNST: Vor Grenadieren kein schönes Bild , . .
HEDWIG: An mich denkst du wohl nie . . .
ERNST {fährt ihr mit der Hand übers Haar): Das
weißt du doch ...
HEDWIG: Erst komm ich . . ., dann deine Ge-
schichten . . . !
ERNST (Jacht): Du kleiner . . . kleiner, lieber Racker
du! ... Mädel, bist doch mein Liebstes auf der
Welt! ...
HEDWIG: Gott sei Dank, daß du mir's endlich mal
sagst . . .
ERNST: Na . . . hatt'st du das denn nie gefühlt . . . ?
HEDWIG: Gefühlt! Kann ich reinsehen in dich?
ERNST {lachend): Bin ich so undurchsichtig?
HEDWIG: Sagen sollst du's mir . . . wie lieb du
mich hast . . . Jede Minute, jede Sekunde will ich's
hören von dir! . . .
ERNST : 's sind doch nur Worte . . . {Die Musik setzt
plötzlich aus. Ernst bemerkt es . . . horcht auf)
HEDWIG: Aber Liebesworte . . . und die prickeln
so süß . . .
47
ERNST {mit halbem Ohr): Hetel! . . .
HEDWIG: Du . . . wenn wir erst allein sind! (Jacht
hell auf) wir beide . . . ? !
ERNST {steht auf).
HEDWIG: Unsre Hochzeitsreise, hast du schon dran
gedacht . . , Auf eine Insel gehn wir . . . ganz allein . . .
auf eine Lofoteninsel . . . wir zwei . . . Lach mal!!
wie ich {sie lacht), ha, ha, ha. Möcht's hinausjauchzen
in alle Winde dieses . . . große Glück . . . !
ERNST: Hör mal!
HEDWIG: Was denn?
ERNST: Du hörst nichts . . .
HEDWIG: Nein...! Du?
ERNST: Warum setzt die Musik plötzlich aus??
HEDWIG: Ha, ha, ha . . . Vermutlich hat der Kaiser
von China geniest — Der Cotillon . . . beginnt!
ERNST: Nein, nein. Liest da nicht einer was vor?
HEDWIG: Möglich {gleichgültig).
ERNST: Komm . , . {drängt sie zur Tür).
HEDWIG: Hab' dich so selten . . . Festleimen müßt
man euch . . .
ERNST: Näher zur Tür.
HEDWIG: Bleibe! Ihr Männer! ... als war' ich
nicht viel wichtiger . . .
ERNST: Ssssst . . . Still doch! {horcht zu).
{Man hört im Saal mit lauter freudiger Stimme durch
Eckbrecht ein Telegramm verlesen; nach vielen Sätzen
"Jubel — g^gen Ende stürmisches Hallo . . . Etwa folgende
Sätze sind aus dem Lärm deutlich vernehmbar):
„Frauen . . . Farmer . . . ermordet . . . Kinder ge-
spießt . . , Kulturen verwüstet . . . die Schutztruppe
bewältigt den Aufstand nicht . . . Truppentransporte
gehn raus . . . von allen Regimentern soll'n sich
Freiwillige melden . . ." {Hallo — Tusch von der
Musik.)
ERNST {hat einen verklärten Ausdruck angenommen . . .
tastet' mit den Händen in der Luft . . . versucht zu spre-
chen . . . kann es nicht).
48
HEDWIG {umschlingt ängstlich seinen Kopf . . .): Was
machst du ... ? {Der Jubel schwillt an.)
MAX {kommt hereingestürzt, . . . hinter ihm Hilde
und Gertrud ... in größter Aufregung: Ordonnanz!
HILDE: Lieber Baron!
MAX: Schon gut. Ordonnanz! Postkarten, Kerl!
ORDONNANZ: Wieviel wünschen der Herr Leut-
nant ?
MAX: Hundert Stück. Vorläufig hundert.
ORDONNANZ {sieht ihn groß an).
MAX: Esel! ja, hundert Stück!
HILDE : Aus Ihrem Vortrag soU nun nichts werden ?
GERTRUD: Die Tanzproben?
HILDE: Leseabende?
GERTRUD: Alles soll aufhören . . . {weinen beide).
MAX: Flennt nicht . . . kein Schade drum!
HILDE {wütend): Was woll'n Sie denn jetzt?
MAX : Bin ich ein Auskunftsbureau ?
GERTRUD: Wozu hundert Postkarten?
MAX: Man hat doch sozusagen „Eltern" . . . Ver-
wandte . . . allerhand Anhang . . . Kurz und gut . . .
Drangsaliert mich nicht : Muß Abschiedsgrüße schreiben ...
ERNST {macht sich plötzlich frei . . . stürzt wie un-
sinnig auf Max zu . . . packt ihn am Genick): Ist's
wahr?!?!
MAX: Mein Hals! Bist wohl verdreht! mein neuer
Kragen !
ERNST: Krieg?... Wir haben ... Krieg?!?
MAX {sich wütend den Hals massierend): Ich geb' es
zu, wir haben Krieg ...
ORDONNANZ {bringt Karten von links).
MAX: Laß mich! Muß schreiben! {setzt sich an
einen Tisch links — Gertrud, Hilde ihm nach).
HANS JÜRGEN {aus dem Saal): Champus! Cham-
pus her! Ordonnanz! Sekt!
ERNST (j/>Ä/ ihn fragend an): Krieg?!
HANS JÜRGEN: In Südwest gibt's Hasenjagd! ha,
ha . . . Schwarzen Canaillen machen sich mausig . . .
4 49
CURT {herein)'. Großartig {tanzt herum), großartig!
ganz großartig!
HANS JÜRGEN: Weinkeller auf! {zu den Ordon-
nanzen) Alles was drin is: Raus!
CURT: Jocheken! Jocheken! Der Trainer kriegt
meinen Mohammed nun nich . . . Das Tierchen kommt
mit . , . ha, ha . . . Zusammen geht's nach Afrika!
HANS JÜRGEN {bieder)-. Die Französin mit ihrer
Ehrpußlichkeit ! Soll den Papst ins Bett nehmen . . .
CURT {auf die Damen weisend): Sssst!
H.JÜRGEN: Mir wurscht! Ich fahr' m i t dir, Junge !
ERNST: Sagt doch; sagt ein Wort!
CURT: Kerlchen, wir haben uns rausgemeldet!
V. FAVARGER: Türlich! So was macht man doch
mit!
HANS JÜRGEN: Bengel. Wir sind FreiwiUige! ho!
ho!
CURT: Der Adjutant hat uns bereits alle notiert!
ERNST: Eckbrecht?... Wo? ... da? Im Saal?
BEIDE: Ja! er schreibt die Namen auf . . .
ERNST {stürmt in den Saal).
HEDWIG {streckt die Hände nach ihm aus . . . will
ihn anrufen . . . aber das Wort bleibt ihr in der Kehle:
„E ... E . . ." sie tastet sich in den Saal).
ECKBRECHT {ruft aus dem Saal) : Die FreiwiUigen :
Antreten zum Parademarsch!
HANS JÜRGEN: Los! Mensch! Los!
CURT: Halt, Kerlchen. Erst die Fahnen!
V. FARV ARGER: Fahnen holen! {nach rechts ab,
kommen gleich zurück mit Billardstäben., an die sie
Taschentücher binden).
HANS JÜRGEN: Max!
ALLE: Mitkommen: Max!
MAX {unbeirrt, Karten schreibend) : Was sagt ihr ?
keine Zeit . . . meine Herren . . . Muß klauen . . . !
Hundert Karten wollen geschrieben sein! . . .
ALLE {lachen).
CURT: Also, Kerlchens!
50
HANS JÜRGEN: Aufgepaßt!
v.DOSSE: Stillgestanden! Das Gewehr über! {nehmen
die Billardstäbe auf die Schulter). Fahnen: Marsch! {in
festem Tritt marschieren sie in den Saal, werden dort
mit großem Hallo empfangen . . . Den Parademarsch sieht
man teilweise durch die Türe — ; dann stürzen die Offi-
ziere in tollstem Übermut aus dem Saal).
ERNST: Endlich!
HANS JÜRGEN: Wo bleibt der Sekt! Champus!
ORDONNANZEN {bringen etwa zwölf Flaschen).
HANS JÜRGEN: Ist das alles? sind wir Säuglinge?
Mehr, Kerls!
CURT {springt auf den Tisch): Und die Besichti-
gungen sind wir jetzt los!
ALLE: Bravo!
MAX {mit Federhalter in der Hand, klettert umständ-
lich, um seine Hosen zu schonen, auf den Tisch)'. Meine
Herren, wenn ich aber in Hamburg noch 'n nettes
Mädel treffe . . . dann überleg' ich mir's noch ....
Dixi ...
ALLE: Hallo! {er wird vom Tisch gezogen).
HANS JÜRGEN: AUe Mädels! Hurra!
GÖTZ {tritt ein): Herrschaften, am liebste tat ich
zerspringe vor Freud ... Da draußen wird man uns
unsre Freiheit lasse ! . . . Jugend, genießt die Stunde ! . . .
HANS JÜRGEN {fängt grotesk zu singen an):
Schön ist die Jugendzeit zu allen Zeiten,
Schön ist die Jugend —
ALLE {fallen begeistert mit ein):
Sie kehrt nicht mehr.
Drum sag' ichs noch einmal:
Schön ist die Jugendzeit,
Schön ist die Jugend,
Sie kehrt nicht mehr . . .
ERNST {drängt sich während des Gesanges durch
die Offiziere, springt auf den Tisch, hält ein bis an den
Rand gefülltes Glas hoch — jubelnd, übermutsprühend):
Dem Tod!
4* 51
ALLE {stimmen jubelnd mit ein).
HEDWIG {kommt aus dem Saal, umkrampft den
Fächer.) Ernst !
OBERST {hinter ihr — zieht sie an sich).
ALLE {weichen etwas zurück — sehen erwartungsvoll
auf Ernst).
ERNST {sieht Hedwig an — seine Züge werden un-
erbittlich hart, fest — er leert das Glas, wirft es auf den
Boden, wo es klirrend zerspringt . . . aus dem Saal leise
W alzermusik) .
Vorhang.
52
ZWEITER AKT.
CASINOHALLE.
OBERST {von rechts, geht langsam links zur Treffe) :
Im Kommandeurzimmer bin ich . . .
' ECKBRECHT: Der Transport ist eingeteilt, wann
befehlen Herr Oberst den Abmarsch . . . ?
OBERST: Spät! Die Abschiednehmerei auf dem
Bahnhof muß abgekürzt werden. — Wie spät haben
Sie's ?
ECKBRECHT {sieht nach der Uhr) : Zehn Uhr . . .
OBERST: In einer Stunde lassen Sie blasen . . .
ECKBRECHT: Zu Befehl! — {mit Bezug) ... und
die Damen ?. . .
OBERST: Ja so! Nein . . . ich möchte nicht gestört
sein . . .
ECKBRECHT: Aber Fräulein Hedwig... Herr
Oberst . . .
OBERST: Nichts davon Borke; dem Bräutigam ge-
hört die letzte Stunde {langsam die Wendeltreffe links
herauf, wendet sich nochmals um). Den Pfarrer Götz
will ich sprechen . . . {ab.)
ECKBRECHT: Ich werde ihn rufen . . . {ab, nach
hinten).
{Von rechts Ernst, Hans Jürgen, Curt, Edgar, Max . . .
V. Favarger ... v. Benkendorff ... v. Bosse, v. Ploto
und andere Offiziere.)
MAX {bleibt vor einem Küraß stehen, den er als Sfiegel
benutzt).
ALLE {gehen nach hinten . . . sehen auf den Kasernen-
hof).
V. DOSSE: Ihr habt noch Zeit . . .
V. PLOTO: Is noch kein Mensch auf dem Kasernen-
hof . . .
HANS JÜRGEN: Also bleiben wir noch! . . .
ALLE {kommen zurück . . . stecken sich Zigarren und
Zigaretten an) . . .
CURT: Max...?! ha, ha.
ALLE {lachen über Max).
55
MAX: Wie wir aussehen!
HANS JÜRGEN: Ja, Donnerwetter, wüßte man
nicht, daß es losgeht . . .
MAX: Maskenkostüm!
ERNST: Kein Kragen bindet Gedanken ab . . .
MAX: Liederlich sieht's doch darum aus ...
V. DOSSE: Könnt' ich tauschen mit dir . . .
MAX: Tauschen! Tauschen! Daß so'n Kopf auf
'nem dazu würdigen Kragen sitzt . . . darauf kommt's
an . . .
V. FAVARGER {bindet ihm von rückwärts ein Taschen-
tuch um den Hals).
MAX {reißt es sich ah).
ERNST: Werden uns um den Anzug streiten . . .!
MAX {auf seinen Hals deutend) : Nackt, wie 'ne Giraffe !
SOLDAT {vom Kasernenhof . . . zu Curt) : Herr Leut-
nant möchten die Stiefel der Kompagnie vor dem Ab-
marsch nachsehn . . .
CURT: Gleich!
V. FAVARGER: Zum letztenmal!
ERNST: Vom Sattelzwang frei! Füllenblut Springt!
V. DOSSE: Ihr Glücklichen . . .!
ERNST {wirbelt Max herum) : Die ganze Welt gehört
uns!
ALLE: Uns!
MAX {rückt sich den Anzug zurecht) : Ich finde, man
müßte immer den Maßstab halten . . .
EDGAR {packt Curt an den Schultern) : Du ! ! !
CURT: Na, na, na, so stürmisch. Kerlchen . . .??
EDGAR {zwischen den andern . . . nach Worten
suchend) : Ach . . . Kinders ! . . .
HANS JÜRGEN : Hast wohl am Kognak gerochen . . . ?
ALLE: Ha, ha!
EDGAR {steht ernüchtert, scheu da . . . fängt plötzlich
an zu lachen . . . bricht jäh ab . . . seine Gesichtszüge
werden steif. Nach rechts ab).
MAX {pfeift leise den Präsentiermarsch., dann) : Stille
Mathilde wird von der Begeisterung gepackt.
56
V. FAVARGER (deutet auf Ernst, der inzwischen aus
einer Fahnenfyramide eine Fahne herausgeholt hat und sie
hoch hält): Seht den Schlichting!
ALLE {lachen).
HANS JÜRGEN: Markierst wohl 'ne Siegesfigur . . .
ERNST: Erst in sieben Wochen kann's erste Gefecht
sein!
V. DOSSE: Werdet früh genug Pulver riechen!
HANS JÜRGEN: Ordonnanz! . . . 'n Atlas!
CURT: Richtig, Kerlchen! . . . Immer 's Gelände
im Kopf!
■ HANS JÜRGEN: Muß sehn, wo das verfluchte
Ländchen liegt! . . .
CURT: Kolumbus war' dein Freund geworden!
ALBRECHT {erscheint rechts).
HANS JÜRGEN: 'n Atlas! 'n Stieler!
ALBRECHT {väterlich): Herrn Leutnants Frau
Mama . . . wartet . . .
HANS JÜRGEN {zu den andern): Meine gute
Mutter! . . . Also in die Bibliothek mit dem Atlas!
{Ah)
MAX {zu Albrecht): Sind meine Wäschepakete ver-
laden ?
ALBRECHT {lächelnd) : Wohl, Herr Leutnant . . .
{ah Kasino)
V. BENCKENDORFF : Werckmeister . . .
. MAX: Nun?
V. BENCKENDORFF: Du hast neulich meine Verse
so schön deklamiert . . .
MAX: Ja, ja, ich bin ein ganz leidhcher Deklama-
teur ...
V. BENCKENDORFF {zieht einen Zettel aus dem
{Ärmel) : Hab' wieder 'n Gedicht gemacht . , .
MAX: Also . . . miet' dir 'n Deklamateur . . .! Ich
geh in den Krieg!
V. BENCKENDORFF : Auf euch und den Krieg ist's
gedichtet . . .
MAX: Also miet' dir 'n Deklamateur {wütend ab).
57
V. BENCKENDORFF: Wollt auch lieber mit raus,
statt zu dichten {hinter ihm ab).
ERNST {hat ein Gewehr genommen . . . prüft es glück-
lich . . . legt an. )
ECKBRECHT {klopft ihm auf die Schulter ...):
Weißt du, wo der Pfarrer steckt . . . ?
ERNST: Nein . . . ! {sieht ihn strahlend an.)
ECKBRECHT: Der Oberst will von ihm Abschied
nehmen . , .
ERNST {wiederholt langsam, wie aus einem Traum er-
wachend) Abschied nehmen . . .
ECKBRECHT: Du!
ERNST {frisch) : Das Gewehrchen . . . Sieh, wie ich's
hantieren kann . . . !
ECKBRECHT: Nimm Verstand an . . . Deine Braut . . .
ERNST: Fängst du auch damit an?
ECKBRECHT: Du hebst Hedwig doch . . .
ERNST {stellt das Gewehr wieder an den Platz) :
Also . . . ich werde den Pfarrer suchen . . .
ECKBRECHT: Du hebst sie . . .
ERNST {verwirrt . . . dann) : Er wird im Empfangs-
saal sein . . . {ab nach rechts).
ECKBRECHT {hinterher).
GÖTZ {kommt vom Kasernenhof, im Gespräch mit
Harry, der in Zivil ist) : Sie sind halt e Spielernatur . . .
des ganze Lebe is e Spiel . . ., Verehrtester . . . Nu
bringe Se aber mal e Sinn rein . . .
HARRY: Haben Sie das fertig gekriegt . . . ? Ha, ha . . .
GÖTZ: Freilich! Verehrtester, tat ich's Ihne sonst
sage . . . {wie er Stimmen hört): Soll ich Ihne jetzt helfe
bei Ihre Kamerade ?
HARRY: Ha, ha . . .
GÖTZ: Ha nu, Sie werde schon allein fertig werden... !
Ich will Ihne da nit dreinrede . . . {ab auf Kasernenhof).
HARRY {setzt sich, entschlossen zu warten, in eine
dunkle Ecke der Halle).
OFFIZIERE {kommen zurück . . . gruppieren sich a?i
einen kleinen Tisch, auf dem. eine Lampe steht).
HANS JÜRGEN {mit Atlas): Das Zipfelchen soll
Südwest sein . . . ? Wie'n Kotelett sieht's aus . . .
MAX-: Mehr wie 'n Füllhorn ! Wie das Füllhorn der
Göttin Fortuna!
HANS JÜRGEN: Siehst wohl schon Orden und Be-
förderungen rausregnen . . . ha, ha ... !
MAX: Das nicht . . . aber ich gebe zu, es könnte eine
gute Vorbedeutung haben . , .
HANS JÜRGEN {über den Atlas) : Hätt's mir größer
gedacht . . .
CURT: Galoppierst von Ovambuland zu den Bonzel-
wards — glatt deine sechs Wochen . . .
HANS JÜRGEN: Auf deiner Ziege . . .
CURT: Mohammed!?
V. FAVARGER: Gäbst 'n guten Pferdehändler ab , . .
CURT: Wo auf der Welt habt ihr ein edleres Pferd
gesehn r
ERNST {von links) : Wo ist Pfarrer Götz ?
HANS JÜRGEN {zuckt die Achseln): Deine Braut
sucht dich , . ,
MAX: Wie 'ne Stecknadel . . ., Täubchen . . .
HANS JÜRGEN : Mensch geh' rauf . . . war auch bei
meiner guten Mutter . . .
ERNST (lachend) : Laßt mich in Ruhe damit . . .
HANS JÜRGEN: Uns kann's ja wurscht sein . . .
HARRY {steht auf).
AlAX {bemerkt ihn; über den Lampenschirm weg) : 'n
Zivilist . . . ? Sie verzeihen, mein Herr . . .
HANS JÜRGEN {geht ein paar Schritte vor).
ALLE {schieben den Lampenschirm hoch).: Harry ? ! !
HANS JÜRGEN: Ha, ha . . . Donnerwetter . . ., ich
denk', was is nu los . . . da kommt doch 'n Zivilist . . .!
HARRY: Wollt' mich von Euch verabschieden . . .
HANS JÜRGEN: Gut...
V. FAVARGER: Finde es in Ordnung . . .
CURT: Harrychen!
MAX: Hätte gewettet, du wärst in Amerika und
übtest Niggertänze.
59
HANS JÜRGEN: Donnerwetter, Mensch, erlaube,
daß ich mich erhole . , . ha, ha, ha . . .
MAX: Sag' mal, was trägst du denn für 'n Rock'. . . ?
HARRY: Seit acht Tagen den Abschied! Schon ver-
gessen . . . Pardon {will gehen).
HANS JÜRGEN: Stuß, Bengel! Setz dich!
V. FAVÄRGER {ihn fr ote gierend)-. Können wir etwas
für dich tun ?
HARRY : {sieht sich die Offiziere lächelnd an) Ihr ? !
HANS JÜRGEN: Also: Nimm Platz!
ERNST {zu Harry) : Du weißt : Der Oberst ist hier . . .
HARRY: Bin ja Zivilist ...
MAX: Schon alle Uniformsachen verkloppt?
HARRY {zündet sich eine ihm von Fav arger gereichte
Xigarette an): Brabanter kann sich für Villen baun!
Im Grunewald!!
HANS JÜRGEN : Bää . . . Dem Juden hast's ge-
geben . . .
ERNST: Bald wird's auf dem Schmerbauch irgend-
eines Vari^t^pförtners ausgestellt sein . . .
MAX: Kintopp . . ., Kintopp . . . Ernst . . .
HARRY: Wenn schon . . .
ERNST: Des Königs Rock . . . Schade!
HARRY: Kein anderer zahlt für den Plunder was . . .
ERNST {stutzt — dann) : Wahr ! Ohne Herz unterm
Rock: Ratten-. . . Mottenfraß ist's! "♦
MAX {der Harry auffällig eine Weile fixiert hat):
Harry!!!
HARRY: Hm?
MAX: Harry!!!!!
HARRY: Der bin ich . . .
MAX: Is die Möglichkeit...! Über Nacht kann
man zum Zivilisten werden . . . {sieht die andern Offi-
ziere an).
HANS JÜRGEN: Zum Zivilisten sagst du? . . .
HARRY {jlötet verlegen) . . .
MAX: Meine Herren, mir rieselt 'ne Gänsehaut
über'n Rücken . . .
60
HARRY {barsch^ um vom Thema abzulenken) : Also zu
den Kaffern wollt ihr heut reisen?
V. FAVARGER: Versteht sich . . .
HANS JÜRGEN {singt grotesk, lustig): Wir fahren
heut nach Afrika, nach Kamerun . . .
ALLE: Nach Angra und Pequena . . .
HARRY (lustig) : Na, gute Reise . . , {dann ernst) :
Gute Reise! {Nach kleiner Pause): Wißt ihr, Kinders:
'ne Gemeinheit war's doch . . .
ALLE {ausweichendes Schweigen).
HARRY: Wegen der paar tausend lumpigen Kröten!
— gleich den Abschidü!
HANS JÜRGEN {treuherzig): War's auch! 'nem
ordentlichen Kerl rollt zuweilen das Geld aus den
Fingern! . . .
ERNST: Henner!
HARRY: Hm?
ERNST: Zieh' Uniform an!
MAX: Wo sitzt deine Taille? ...
HARRY: Kam nicht her, um mich anpöbeln zu
lassen ...
CURT: Kerlchen . . . Wie wär's mit Auerglühhcht-
lampenchauffeur ?
V. FAVARGER: Zum Beispiel nur.
ALLE {lachen).
MAX: Ich gebe zu, die tragen 'n standesgemäßen
Rock ... ...
ERNST: Zieh Uniform an ... .
HARRY {kurz): 'n Abend!
ALLE: Harry!!
HARRY {schon an der Tür): Kinders, sagt's doch:
wenn ihr mich nicht mehr kennt . . . geh' ich eben nach
Amerika . . . Werd' Stiefelputzer . . . {mit bewegter
Stimme) : Was ihr befehlt ...
HANS JÜRGEN: Verstehst du keinen Spaß?
HARRY: Denkt ihr vielleicht, ich fühlte mich wohl
in dem Kittel?
ERNST: Wir mußten's denken . . .
6i
HARRY: Ihr mußtest's denken . . . {feuert seinen Hut
auf die Erde) ha, ha . . .
HANS JÜRGEN : O ... o ... o ... Der war doch
noch gut . . .
MAX: {hebt den Hut auf) Seidenfutter sogar . . .
ERNST: Kam dir kein Gedanke, wie du hörtest, daß
wir alle nach Afrika gehen ? . . .
HARRY: Mir?
ERNST: Dir!
MAX: Blanke Knöpfe . . . Litzen ... 's sieht doch
adretter aus . . . zweierlei Tuch . . .
ERNST: Könntest denselbenRock tragen wie wir . . .
HARRY: Und . . . {sinnt) wenn er einem verleidet
is . . .
ALLE {sehen ihn verständnislos an).
HANS JÜRGEN {schreit ihn an): Bengel!
MAX {zu den andern) : Was sagt er ?
ALLE {entrüstet) : Verleidet ?!?!...
MAX: Der Rock?
HARRY {platzt raus) : Freßt mich nur nicht ! . . ,
Ich soll wohl mit euch gehn ? . . .
ALLE {unisono) : Ja ?
HARRY: Das paßte euch! {lacht).
HANS JÜRGEN: Mensch, wenn du mitkämst nach
Afrika . . .
V. FAVARGER: Ja, Harry! Halt's auch fürs Ver-
nünftigste . . .
HARRY: Und... wollt Ihr mir sagen, als was?
als Ochsentreiber . . . vielleicht . . . warum nicht als
gemeiner Soldat . . .
ERNST: Mehr kann ein braver Kerl nicht werden . . .
HARRY {nach längerer Pause): . . . Gut!
ALLE: Bravo!
HARRY: Ich melde mich . . .!
HANS JÜRGEN: Bin nicht sentimental . . . Aber,
wenn du beim Zivil geblieben wärst . , .!
HARRY {klopft Hans Jürgen souverän lachend auf
die Schulter) : Seh' ich so aus ? Jochen ? ! !
62
MAX {zu Harry) : Also was sagst du nun . . . ? Die
guten Gedanken kommen immer von mir . . .
HARRY: Meinst du . . . ? {lacht).
MAX: Ja, ja . . . sonst säßst du jetzt in Amerika . . .
ALLE {lachen).
HARRY: Ihr unterschätzt mich! Manchmal fällt
einem auch selber was ein , . ,
MAX: So . . . ? ? Nu geht mir 'n Talglicht auf . . .
ALLE : Ach nee ... !
HANS JÜRGEN {bieder): Du Aas!
ALLE {lachen).
HANS JÜRGEN {schlägt ihm den Hut ein) : 's nächste
Mal sehn wir dich mit anständiger Kopfbedeckung
wieder . . .
HARRY: Zu Befehl, meine Herren . . .
ERNST: Zum Adjutanten!
ALLE: SchneU!
V. FAVARGER: Ja, ja komm' nur mit uns . . . Immer
mitmachen . . . ! Is schon's Richtigste . . .
MAX: Bei der Figur . . . beim Zivil . . .! Aus-
geschlossen . . .
ALLE (jubelnd ab nach rechts).
EDGAR {im Gespräch mit Pfarrer Götz vom Ka-
sernenhof) : ... Konnt's nicht mehr mit mir allein
rumtragen . . .
GÖTZ: Mich freut Ihr Vertrauen . . .
EDGAR: So bin ich..., kann aus meiner Haut
nicht raus , . .
GÖTZ: Alles, was die Natur erschafft . . ., hat . . .
EDGAR: Aber um dieser Freundschaft willen . . .
zertuschelt man mich ...
GÖTZ: Ha nu...!
EDGAR : Stand vorm Selbstmord schon . . . End-
lich ,..!!! ein Ausweg . . . ! Krieg . . . !
GÖTZ: Also...!! Da müßten Sie doch jetzt
glücklich sein . . .
EDGAR : Mit jubeln kann ich nicht ... mit den andern .. .
{ausbrechend) : Einsamer bin ich . . ., als je . . .
63
" GÖTZ : Wer is nit einsam . . . ? Verehrtester . . . ?
Im letzte Grund sind wir alle allein ... Jeder von
uns . . .
EDGAR : Jetzt aber schreit's . . . hier nach Menschen . . .
GÖTZ: Himmelnochmal . . . bei Licht besehe . . .
binde uns doch nur Forme an Menschen und Ge-
selligkeit . . .
EDGAR: Aber sie haben Bedeutung!!
GÖTZ: Hier . . . freihch ... Da drauße . . . FäUt
alles ab . . . Herrgottnochmal, wie ich Sie darum
beneide ...
EDGAR: Nein . . . nein . . ., draußen ... im Krieg . . .
Ich fühl's schon . . . Erst recht werd' ich da rumlaufen
wie ein Gezeichneter . . .
GÖTZ: Sie behorchen sich selbst viel zu viel . . .
EDGAR: Meine Natur . . .!
GÖTZ: Sie trage des Königs Rock . . .
EDGAR : Soll deswegen alles verkümmern ....''
GÖTZ: Im Gegenteil . . . Der Rock beweist, daß
Sie Stärkeres im Mark habe und des solle Sie leben . . . ! !
EDGAR: Und preisgeben . . . {deutet aufs Herz)
dies . . . ? ?
GÖTZ: Lebendig lasse Sie's werden . . . für Ihre
Beruf! Junger Freund, für einen Mann is des die
höchste Form zu lebe . . . Momente gibt's . . ., wo
wir nauswachse über . . . uns selbst . . . und um solcher
Momente wiUe . . . sind wir da . . .
EDGAR (pichtet sich auf): Sie wollen damit sagen,
daß alle andern einmal auch . . .
GÖTZ: Stehe Sie Ihre Mann da drauße . . . fest
auf Ihrem Platz . . .
EDGAR: Sie meinen's gut mit mir . . . {zvill gehen).
GÖTZ {hält ihn zurück^ väterlich): Vom Selbst-
mord nichts mehr . . . gelle . . . ? Mit so 'e junge
Lebe . . ., da spielt man nit. Stolz den Kopf ge-
trage . . .
EDGAR: WiU's versuchen . . .
GÖTZ: Ja. Himmelnochmal, wolle Sie nur! aufs
64
„wolle" allein kommt's an in diesem Leben . . . Und
nun Ihre Hand . . .
EDGAR {gibt ihm die Hand -^ ab auf den Hof).
GÖTZ {im Mantel, in der Hand einen großen schwarzen
Schlapphut — geht nach vorn).
ALBRECHT {kommt mit Gasanzünder die Treppe
aus dem Kasino herunter).
GÖTZ : Na, wo stecke denn unsere Herrn Afrikaner ?
ALBRECHT: Glaub' in der Bibliothek, Herr
Pfarrer . . .
GÖTZ : Wolle Sie etwa Licht daher mache . . . ?
ALBRECHT: Wohl . . .
GÖTZ: Geh' . . . Lassen Sie's noch e bissei . . .
ALBRECHT: Wohl . . . Darf ich mir die gehorsame
Frage erlauben ...
GÖTZ: Frage Sie nur,
ALBRECHT: Der Herr Pfarrer wollen sich wohl
quasi verabschieden . . . ?
GÖTZ: Freilich will ich des . . .
ALBRECHT: Jetzt wird's still bei uns werden . . .
GÖTZ: Albrecht; wenn so junge Mensche von uns
ziehe, Himmelnochmal ... 's geht halt allemal e Stück
Herz von uns selber mit . . .
ALBRECHT {lächelt): Wohl, Herr Pfarrer . . .
GÖTZ {hat sich links vorn in einen Sessel gesetzt . . .
sieht vor sich hin — wischt sich mit einem Finger im
Auge . . .).
ALBRECHT {hat es bemerkt) : . . . Wohl . . . {geht
taktvoll ab ins Kasino).
GÖTZ {starrt vor sich hin; Pause; als erwacht er . . .):
Albrecht , . .! {bemerkt, daß er allein ist; versinkt wieder
ins Träumen . . .).
{Max, Hans Jürgen, v. Favarger, Gurt und Offiziere
kommen lachend aus dem Kasino die Treppe herunter.)
MAX: Der Pfarrer!
ALLE: Doktorchen!
GÖTZ {mit erhobenen Armen, strahlend): Meine
Herren Afrikaner!
5 65
MAX {nimmt ihm den Hut we^: Sie hab'n ja 'n
Hut, wie'n gewöhnlicher Landpief!
GÖTZ: Herrschafte: wie Ihr ausseht . . .! wie Euch
die Uniforme stehe!
MAX {rasch vor einen Küraß): Ach nee!
GÖTZ: Prächtig!
MAX: Ja?!?
GÖTZ: Wie junge Kriegsgötter!
MAX {beruhigt): Na, denn is ja gut . . .
CURT: Wissen Sie's schon?
HANS JÜRGEN: Harry hat sich als Kriegsfrei-
williger gemeldet . . .
GÖTZ : Geht also mit Euch ?
V. FAVARGER: Kann doch draußen nicht fehlen . . .
GÖTZ: Aufatme tu ich, daß der wieder bei Euch
is . . .!
MAX: Also wirklich, Sie finden, daß mir der Rock
gut steht ...
GÖTZ: Herrlich!
MAX: Trotz des nur . . . markierten Kragens . . . ?
ALLE {lachen).
MAX: Na, denn is ja gut . . .
GÖTZ: Nu aber vor alle Dinge: Wein her! Will
noch e mal anstoße mit Euch, eh Ihr nach Afrika
geht ...
ALLE: Gläser! Sekt! {gießen sich gegenseitig ein).
GÖTZ: Nu denkt aber nit, daß der Pfarrer Götz
HANS JÜRGEN: Quatsch!
GÖTZ: Bin's gewiß nit . . .! aber, wenn ich halt so
in Stimmung bin . . .
MAX: Stimmung . . . Laßt Kinder . . . auf der
Zunge hatt' ich das Wort . . .
GÖTZ: Verehrteste: Deutsches Blut is geflosse . . .
MAX {die andern beschwichtigend): Doch, doch:
Deutsches Blut.
HANS JÜRGEN: Kuckt weg..., ich werde ganz
rot ...
66
GÖTZ: Und Ihr wollt Rächer sein . . . {fängt wieder
an) : Ja, des Ihr alle . . . wie Ihr da . . .
MAX (hält ihm den Mund zu) : Sssst ! ssst ! Bei Reden
bin ich ein begeisterter Freund vom Schluß . . .
GÖTZ (macht sich frei): Was! Himmelnochmal!
Warum sollt ich nit aus dem Häusche gerate dürfe . . .
Ich bin halt e Schwab . . . Ich muß es von mir gebe . . .
Stoßt an!
ALLE: Bravo ...
ECKBRECHT (aus dem Kasino) : Herr Pfarrer . . .
GÖTZ: Nun?
ECKBRECHT: Ich suche Sie . . . Der Oberst wiU
Ihnen Adieu sagen . . .
GÖTZ: Also... (zieht seinen Mantel aus): Herr-
schafte Euer Oberst, e Prachtsmensch is des . . . (auf
der Treppe): Unter Glas müßt Ihr den setze . . . (ab).
ECKBRECHT (hinterher ah). — (Offiziere sehen
Götz nach.)
CURT: Beneid Euch um den Pfarrer . . .
V. DOSSE: Werdet draußen viel nach 'nen Pfarrer
fragen ...
HANS JÜRGEN: Bravo! (zu v. Bosse).
V. BENCKENDORFF: Ihr wißt nicht, wie gut
Ihr's habt . . .
OFFIZIERE (die daheim bleiben): Ja! Könnten wir
tauschen mit Euch . . . !
V. FAVARGER: Versteh' nicht, daß Ihr Euch nicht
endlich in die Tatsachen findet . . .
MAX: Schreibt Ihr . . . nur viele Ansichtskarten . . .
ALLE (lachen).
MISTER (eilig aus dem Kasino): Die Frauen sind
gekommen; die Weiber sind da . . .
CURT: Vor einem Amen kann der Teufel nicht
schneller fliehn . . .
MISTER (zu den Lachenden): Was denn „Amen".
Is ja doch ekelhaft . . . dies Tränenkonzert.
ALLE (außer Curt): Unsere Damen! (ab ins Kasino).
CURT (lacht) : Misterchen ...
5* 67
MISTER: Wir gehn in den Krieg . . .! Gut . . .!
Stell'n sich die Weiber an . . . Wär'n wir man erst
auf dem Dampfer . . . Wär'n wir da man erst oben . . .
CURT: Lassen Sie nichts zurück?
MISTER: Vor mir liegt alles ... Da hat der Mister
sein Glück. Da kann einem keiner mehr ins Hand-
werk reden. Da heißt's einfach : So oder so ... ! Das
heißt's da einfach . . .
CURT: Misterchen . . ., wenn der Himmel was Be-
sonderes mit mir vorhat . . . Möcht' Sie mal verliebt
sehn dürfen . . . {beide lachen).
MISTER: Verdreht! Bin froh..., daß's da unten
keine Weiber gibt . . . Gott, froh bin ich . . .
HEDWIG {kommt mit andern Mädchen von rechts die
Treppe herunter, geht auf Curt und Mister zu) : Wo
mein Bräutigam ist, wissen Sie's ?
CURT {steht sofort auf, höflich): Ich will ihn suchen,
gnädiges Fräulein.
MÄDCHEN {bestürmen hinter Hedwigs Rücken
Curt): Finden müssen wir ihn . . .! Unsre arme
Freundin . . .!
EIN MÄDCHEN {umarmt plötzlich Hedwig, über-
zärtlich).
HEDWIG: Was feh't dir?
EIN MÄDCHEN: Wir alle wollen ihn bitten . . .
MÄDCHEN: Daß er bei dir bleibt!
HEDWIG: Seid wohl nicht klug! ha, ha . . . Gönnt
ihr mir keinen Helden ?
CURT {lachend zu den Mädchen): Aus dem Staube
gemacht . . ., marsch, marsch! {mit den Mädchen ab).
HEDWIG {gibt Mister die Hand, sieht ihn an):
Reginald ! Albemarle ! !
MISTER: Was denn . . . Gnädigste . . ., was denn?
HEDWIG: Beschützen Sie ihn mir... {gibt ihm
kräftig die Hand, die Mister küßt). Adieu! {den andern
rasch nach — ab).
MISTER: Ha, ha . . . {geht zur Treppe — ruft leise):
Ordonnanz! Ordonnanz!
68
ALBRECHT: Herr Oberleutnant...? {auf der
Treffe).
MISTER: Meine Feldflasche bring! Ligt oben bei
meinem Patronengurt {kommt zurück^ entfaltet am
Tische ein Seidenfapier . . . nimmt drei Rosen her-
aus . . .). Zur Strafe! Zur Strafe hat sie gasagt . . .
{schlägt sich vor die Stirn). Ich bin 'n Schuft! 'n Schuft
bin ich . . .
ORDONNANZ {bringt die Feldflasche — ah).
MISTER: Tu's doch! {nimmt die Rosen). Möcht'
Euch zerreißen . . . Küssen muß ich euch . . . Hedwig!
küssen . . . {tut es) küssen . . . {Man hört eine Tür
knarren, er horcht auf, preßt die Rosen schnell in die
Feldflasche hin, verschließt sie)
ECKBRECHT {sehr eilig — oben auf der Treppe).
MISTER: Nun?
ECKBRECHT: Die Kompagnien müssen antreten.
MISTER: Geht's los?
ECKBRECHT: Bald ... ha, ha {bemerkt die Feld-
flasche). Haben sich wohl mit Burgunder versehen . . .
Schlemmer ?
MISTER: Eckbrecht . . .
ECKBRECHT: Ja?
MISTER: Eckbrecht, Sie sind doch Adjutant . . .,
ich mein', Sie machen doch die Verteilung . . . Be-
fehle . . . usw.
ECKBRECHT: Hm?
MISTER: Versprechen Sie mir eins ... Ja? Wollen
Sie es tun ?
ECKBRECHT: Sagen Sie es . . .
MISTER: Wenn es da unten eine Patrouille, gibt . . .
So eine, wo man den Pastor vorher spricht . . . Ver-
stehen Sie mich . . . ?
ECKBRECHT: Ich will dran denken, Mister!
MISTER: Ich wußte doch, daß Sie 'n verständiger
Mensch sind . . ., das wußte ich doch . . .
ECKBRECHT: Ist doch selbstverständlich . . .
{ah).
69
MISTER {nimmt die Feldflasche, preßt sie fest
zwischen gefalteten Händen . . ., wie im Gebet, knöpft
sie dann am Leibriemen fest — geht auf den Kasernen-
hof . . .).
ORDONNANZ (kommt aus dem Kommandeurzimmer,
geht die Treppe eilig hinunter — ab, rechts ins Kasino).
OFFIZIERE {kommen gleich darauf aus dem Kasino —
versammeln sich in der Halle . . .).
MAX: Taschentücher raus . . .!
ALLE {lachen).
MAX {zu V. Benckendorff): Könntest jetzt dein
Gedicht deklamieren . . .
HARRY {toll vor Freude, von rechts mit Ernst . . .).
ERNST: Wir haben ihn wieder . . .
HARRY: Ich geh mit! Kinders! Darf mit! {Tür
vom Kommandeurzimmer geht auf — die Offiziere sehen
hinauf . . .).
ALLE {zu Harry) : Sst ! . . . Oberst ! der Pfarrer . . .
{deuten nach oben).
HARRY: Pfarrer? ... Ich darf wieder mit Euch
gehn . . . alles andere schert mich 'n Dreck . . . {ab auf
den Kasernenhof).
ERNST {leise): Gönnt ihm den Jubel!
OBERST {zum Pfarrer oben auf der Treppe): Habe
Sie alle gebeten . . . Pfarrer Götz will sich von uns
verabschieden . . . Meine Herren . . . Was er in unser
Herz gelegt . . . Wir woUen's wachsen lassen . . . Das
sei unser Dank . . , {gibt Götz kräftig die Hand . . . ah).
ALLE: Pfarrer! Doktorchen!
GÖTZ: Himmelnochemal! Wie Ihr dasteht! Jung
Blut . . . Für Großes entbrannt . . .
ERNST {begeistert auf ihn zu, hält ihm seine Hand):
Ja . . . Pfarrer!
GÖTZ {schlägt sich vor die Stirn): Kein Schwärmer
bist du! {Kommt die Treppe herunter.) Ha nu . . .
Will nit viele Worte mache , . . {Sagt allen adieu!)
Und . . , Die schwarze Teufelsbande kauft euch . . .
Bleibt, wie ich euch kenne . . . des sei mein Abschieds-
70
grüß . . . (Zieht sich den Mantel an.) Vergeßt mich
nit . . . {Vor den Offizieren:) Des ich's allemal gut ge-
meint hab . . . gelle . . . (Stockt.) Herrschafte . . ,
(Jn der Tür, in äußerster Bewegung') Himmel — noch-
emal! . . . {Schnell ah.)
OFFIZIERE {sehen sich ergriffen an unter dem Ein-
druck des Scheidens).
MÄDCHEN {unter Hedwigs Führung stürmen in die
Halle): Einmal noch tanzen!
OFFIZIERE {besinnen sich nach und nach).
MÄDCHEN {betteln) : Einen Walzer . . .
GERTRUD: Müssen so lang ohne Tänzer sein!
OFFIZIERE: Los! {Wollen mit den Mädchen in's
Kasino.)
ERNST {nimmt Hedwig frisch froh): Komm . . .
{Beginnt mit ihr in der Halle zu tanzen, wie die andern
es sehen, folgen sie dem Beispiel . . . und tanzen paarweise
vorbei . . .)
V, DOSSE {arrangiert eine Kapelle).
HILDE {im Arm von Max): HimmHsch! Solch
Walzer !
GERTRUD {zu v. Favarger): Toll! Toller!
V. FAVARGER: Ich bin dabei. {Wirbelt sie herum.)
HEDWIG {zu Ernst): Genug!
MAX {zu Hilde): Soll'n nur Versteck lernen . . .
Schwarzen Teufel . , ,
GERTRUD {zu v. Favarger): Entzückend! Sie er-
leben ein Abenteuer.
HANS JÜRGEN {tanzt zwischen den Offizieren, die
daheim bleiben): Und das Avancement wird gehn, daß
Euch schweindlig wird! . . .
CURT {tanzt von Mädchen umringt): Großartig!
Großartig! Ganz großartig!
FRAU V. RÜXLEBEN {erscheint rechts auf der Treppe
. . . zu den Nächststehenden): Pssst! Pssst! Herr ....
Gotte — ne . . .! Hört doch . . . {Winkt allen außer
Ernst und Hedwig, die weiter tanzen, herauf ins Ka-
sino) {Ab.)
71
ERNST und HEDWIG {tanzen bis in die Mitte,
Ernst dreht sich noch einmal langsam graziös um Hedwig
herum, bemerkt den Scherz, daß sie allein sind, küßt
Hedwig die Hand).
ERNST: Wir wollen ihnen nach . . . {Will Hedwig
nach oben führen!)
HEDWIG {hält ihn zurück): Bist so froh.
ERNST {jubelnd, schließt sie in die Arme): . . . Mä-
del! . . .
HEDWIG {streicht über seine Hand): Siedle zu Frau
von Rüxleben über.
ERNST: Hab's heimlich gewünscht für dich . . .
HEDWIG: Aber sie wird mich verwöhnen . . .
ERNST: Du mußt es jetzt gut haben . . . {Fern
vom Hof her ein Signal.)
HEDWIG: Willst wirklich nun von mir gehen?
ERNST: Wenn ich bliebe!
HEDWIG: Ernst!
ERNST: Und soll weiter heucheln wie bisher —
Könntest du mich dann noch lieben . . . ?
HEDWIG: Dich immer . . . {Küßt ihn.)
ERNST: Leben muß ich — , was ich bin . . .!
{Zweites Signal fern auf dem Hofe.)
HEDWIG {begeistert): Deine Augen!
ERNST: Vor diesem Rock soll man den Hut wieder
ziehn !
HEDWIG: Und das hoffst du dir zu erringen . . .
da draußen . . . ?
ERNST: Ging ich sonst . . . Mädel!! . . .
HEDWIG: Dann will ich dich gewiß nicht halten . . .
ERNST: Du! du!
HEDWIG: Wir Krachts haben Soldatenblut —
ERNST {küßt ihre Hand): Liebte ich dich sonst!
HEDWIG {umarmt ihn lachend): Wenn du heim-
kehrst . . ., will ich mich schadlos halten ...
ERNST: Heimkehr?!
HEDWIG: Natürlich! Oder hast du vor, mich allein
hier sitzen zu lassen . . . ?
72
ERNST: Wissen mußt du's: Vor meinen Grenadie-
ren. Vor'm blanken Bajonett, winkt's mir . . . lockt's
mich, wie Fahnenruf ...
HEDWIG: Was? {Sü begreift erst, starrt vor sich
hin)
ERNST: Hast du mich verstanden . . .?
HEDWIG {läßt ihren Kopf auf seine Hand sinken).
(Im Hintergrund, die Treffe vom Kasino herunter, kom-
men Mädchen mit Girlande, Frau v. Rüxlehen . . .
Offiziere . . .)
ERNST (streicht über ihr Haar): Nicht traurig sein!
Hetel, Hetelchen! Mächtiger ist's, als ich; Natur ver-
langt's von mir, wie atmen . . .
HEDWIG {richtet sich auf) : So wünsch ich dir's von
ganzem Herzen . . .
ECKBRECHT {tritt vom Hof herein . . . durch die
geöffnete Tür hört man deutlich, klar: das Abschieds-
signal).
ERNST {macht sich frei . . . jubelnd): Das Signal!
OBERST {oben auf der Treffe).
ECKBRECHT {meldet dem Oberst): Der Transport
ist angetreten . . .
OBERST: Danke. Meine Herren, wohin die Pflicht
uns stellt . . . ehe vdr auseinandergehen : Unser oberster
Kriegsherr: Hurra, hurra, hurra ...
ALLE {stimme ein).
OBERST: Nun voran . . .! {Zu den Offizieren, die
daheim bleiben.) Meine Herren . . . das nächstemal . . .
Ihre Kraft ...
CURT: Großartig . . . Kerlchens . . . ganz groß-
artig ...
HANS JÜRGEN {zu den Mädchen) : Ich bring euch
'nen ausgestopften Herero mit . . .
V. DOSSE {weinselig lachend): Traurig bin ich . . .
zu traurig . . .
MAX: Mir ist ganz eigen zumute ...
HANS JÜRGEN {vorn zu seiner Mutter): Meine
gute Mutter! {Küßt ihre Hand.)
73
FRAU V. RÜXLEBEN: Kann nu mal nichts hel-
fen . . . mein Sohn . . . Kann nu mal wirklich nichts
helfen . . .
HANS JÜRGEN: Sei nicht traurig, Mutter . . .
sind bald wieder da von dem Ausflug . . . ha, ha . . .
FRAU V. RÜXLEBEN: Ich bin alt, Jochen. Kann
nu mal wirklich nichts helfen. {Küßt ihn auf die Stirn.)
(Offiziere von Damen umringt — gehen jubelnd. Hüte
schwenkend an Hedwig vorbei auf den Kasernenhof . . .
unter den Klängen der Musik) :
Muß i denn, muß i denn
zum Städtel hinaus usw. . . .). ^ >
OBERST (kommt die Treppe hinunter, nimmt Hed-
wigs Kopf zwischen die Hände): Halt dich brav, Mä-
del! . . .
FRAU V. RÜXLEBEN: Ach Gott nee . . . wir sind
nicht aus Zucker. (JVischt sich die Augen.)
OBERST: Tröstet euch gegenseitig . . . {Langsam
ab hinter den Offizieren.)
ERNST {der sich im Hintergrund gehalten): Hetel-
chen ! ! ! {Preßt sie leidenschaftlich an sich, küßt sie lange.
Draußen Musik. Man hört abmarschierende Truppen)
ERNST {reißt sich mit Gewalt los . . . geht zögernd zur
Tür, wo er stehen bleibt, kehrt nochmals um, küßt Hedwig
jetzt wild . . . stürmt ab. Man sieht die hellerleuchtete
Kaserne. Der Lärm . . .die Musik wird schwächer)
HEDWIG {steht wie im Traum da . . . ist völlig von
Ernsts plötzlich aus gebrochener Leidenschaft überwältigt
. . . streckt beide Arme nach ihm aus . . .).
FRAU V. RÜXLEBEN {packt Hedwig am Arm —
stark) : Ach Gott, nee, wir sind nicht aus Porzellan. {Sie
gehen die Treppe hinauf . . .) Kann nichts helfen . . . !
Vorhang.
74
DRITTER AKT.
SCHIFF
HARRY {sitzt auf einem Geländer).
ERNST {schläit).
MISTER {hält die Feldflasche zwischen den Händen —
lehnt an einer Treffe).
SOLDATEN {man hört schwermütig von weit her ihren
Gesang übers Deck klingen) :
Heimatland in weiter Ferne,
Nächtlich tauchst du aus dem Sinn.
Über mir, ihr goldnen Sterne,
Führt in Träumen still mich hin. '
Laßt mich toll'n in dunklen Wäldern,
Schaun der Kindheit Rosentag,
Als in bunten Blumenfeldern
Hoffnungsfroh der Knabe lag . . .
ERNST {steht auf — hält sich die Ohren zu).
HARRY: Wohin?
ERNST: Verwünschtes Gesinge! ToU macht's mich . .
MISTER: Stört Sie's, Ernstel? Das Gesumse stört
Sie's ? ha, ha . . . Ich mag die Melodie . . . Musik ist
Schlaf . . . Oft wenigstens liegt Schlaf in ihr, der süßer ist
als Mohn . . . Gut Nacht . . , Süßer ist als Mohn . . .
{summt die Melodie leise vor sich hin . . . schläft ein).
ERNST: Beneidenswert . . .
HARRY {tritt vor) : Soll Herrn Leutnant an die Ronde
erinnern . . .
ERNST: Harry! {dann): Kannst ja nichts für {Pause).
Glaubst du Träumen ? . . .
HARRY: Träume! ha, ha. Man kocht zu gut an
Bord . . .
ERNST: Antworte.
HARRY: Mir träumte mal, ich würde ne soHde Seele . . .
ERNST: Ein Schatten ...
HARRY: Du zitterst ...
ERNST: Schleicht da kein Schatten hinter mir her . . . ?
HARRY: Ha, ha . . .
77
ERNST: {steht wieder auf). Höher! muß höher rauf !
Möcht' mich in die Sterne hängen . . .
MISTER {richtet sich auf — gähnt, reibt sich die Augen).
HARRY: Sie wollen wohl die Nacht hier oben kam-
pieren ?
MISTER {reckt sich) : Gemütlich ist's, wie's vorwärts
geht . . . Höllisch gemütlich ... In der Bewegung ligt
Ruhe . . . Harry . . . nur in der Bewegung . . .
SOLDATEN {wie vorhin) :
Fühl ich's doch, und fühl es immer,
Liebchen wird verlassen sein;
Nach der Heimat komm ich nimmer,
Mädel, ach — ich denke dein —
MISTER: Vom Schätzchen singen sie . . . vom Bräut-
chen . . . Dummen Kerls! {gähnt) Weckt mich nicht
wieder . . . Vom Bräutchen . . . ha, ha . . . {legt sich
zurück . . . schläft ein).
ERNST {plötzlich . . . verzweifelt . . .): Auf den Mast-
baum klettre ich . . . {ab).
HARRY: Wirst dir's Genick brechen . . . {beugt steh
über Mister). Sakrament . . . wie'n Murmeltier! {Tiefe
Stille . . . er wirft die Mütze hoch in die Luft — klatscht
in die Hände — fängt sie wieder auf — nach einer Pause
lacht er plötzlich hell, bezwingend lustig auf, — stürmt ab.
Der Gesang ist ganz leise, unverständlich geworden und
vereinigt sich mit dem eintönigen Rauschen der Wellen . . .)
v. HEIDENBERG {Generalstabschef): Herr Oberst
beschäftigen sich also mit Astronomie ?
OBERST: Als Leutnant trieb ich's schon . . . blieb
leider nur Dilettant ! Astronomie ! wer lernt da aus . . . !
Das Buch der Weisen ist dort droben . . . gern durch-
blättre ich's . . . sehr gern . . . Ein Kapitel steht da
drin . . . wer das begreift, mein guter Heidenberg . . .
der wird bescheiden . . . still ...
V. HEIDENBERG: Ich glaube, die Parallachse der
Vega könnte ich noch berechnen . . . ha, ha . . .
OBERST: Das nun gerade meinte ich nicht . . .
{längere Pause).
78
ECKBRECHT {von rechts, sehr eilig mit Meldung).
OBERST: Was gibt's?
ECKBRECHT: Ein Funkenspruch . . . Vom Kapitän
dies Telegramm . . .
OBERST {liest es) : Was denn ... Ja, wenn das wahr
ist {gibt es dem Chef) : Bitte, lesen Sie es . . .
V. HEIDENBERG: Vor unsern ersten 120 Mann
sollten die Schwarzen schon Reißaus genommen haben!
. . . Undenkbar . . . !
OBERST: Hm, hm . . .
V. HEIDENBERG: Dann kämen wir zu spät . . .
ECKBRECHT {stampft unwillkürlich mit dem Fuß auf).
OBERST: Ha, ha . . . zu spät nicht! Wir werden
aber Geduld haben müssen . , . Zum Kapitän geh' ich.
{Zu Eckbrecht) : Bringen Sie Karten und Pläne dorthin . .
ECKBRECHT: Zu Befehl, Herr Oberst . . . {ab nach
links).
OBERST: Kommen Sie mit . . . {Beide ab nach
rechts.)
MAX {hinter der Szene): Womit verbringen Sie sich
denn sonst noch die Freizeit, Junkerchen . . . ?
JUNKER: Mit Literatur, Herr Leutnant ...
MAX: Na, das wird Ihnen beim Fußdienst vergehn . . .
JUNKER: Wir sind ja beritten . . .
MAX: Ganz gleich, ganz gleich.
ALLE {lachen, es treten auf Hans Jürgen, Curt,
Edgar, sie kommen von links mit Laternen über die Treffe).
MAX: Ägyptische Finsternis!
HANS JÜRGEN: Frau Luna spart Öl {mit Flasche
im Arni).
V. FAVARGER: {singt sein Lied aus dem ersten Akt
leise vor sich her).
MAX {stutzt flötzlich, leise zurück): Pst, Pst!
HANS JÜRGEN: Pst ... pst .. . pssst, doch!
MAX: Stille!
HANS JÜRGEN: Psst! Was gibt's denn eigenthch?
MAX: Ein Hauptabenteuer . . . Meine Herren . . .
da ligt 'ne Fleischmasse
79
HANS JÜRGEN: Tritt drauf, wird'n besoffener Kuli
sein ...
CURT: Wollt eigentlich nach Mohammedchen sehn . .
EDGAR: Besorgt . . .
CURT: Du ? ? danke! Die Fessel geheilt . . . ?
EDGAR: Hab sie frisch verbunden . . .
CURT: Kerlchen! großartig . . . dann bleib ich da . . .
MAX {ist vorsichtig näher gekommen . . .): Ein Weib-
chen! Ein Weibchen! . . .
HANS JÜRGEN: Los!
MAX: Sssst! doch . . . Laterne!
V. FAVARGER: Da muß ich dabei sein . . .
HANS JÜRGEN: Licht! Ssst! verdammter Bengel!
Licht!
CURT: Hier, hier . . .
MAX {beleuchtet): Unser Mister!
CURT: Misterchen.
HANS JÜRGEN: Schnarcht wie'n Minister . . .
CURT: Was hält er in gefalteten Händen . . .
MAX: 'n Gesangbuch . . .
HANS JÜRGEN: Der fromme Mensch, is überm
Abendgebet eingeschlafen . . .
CURT: Kerlchen, ne Schnapsflasche is es ja . . .
MAX {versucht die Flasche zu öffnen) : Was er wohl
drinnen hat . . . ?
CURT: Roten Burgunder natürlich,
HANS JÜRGEN : Kenn unsern Reginald doch . . .
MAX: Leuchte, Sssst . . . {holt die Rosen heraus). Was
er drin hat ? Brrrrrrr . . . ! seht . . . meine Herren . . .
HANS JÜRGEN: Wohl ne getrocknete Fledermaus . .
CURT: Zeig, zeig , . . Jocheken.
ALLE : Oh — oh — oh . . . Rosen . . .
EDGAR {zu Curt) : Laß die doch . . .
CURT: Was denn! ...
MAX: Ich kann nicht umhin . . . drei Rosen.
CURT: Drei Rosen . . .
HANS JÜRGEN: Wie er die nur reingewurschtelt
hat . . .
80
MAX: Ein Fakir' ist dagegen ein Tropf . . .
HANS JÜRGEN: Drei veritable Rosen... Ein
Aroma . , . !
MAX: Hab ihn in Verdacht, daß er'n Dichter is . . .!
HANS JÜRGEN: Wenn das wahr wäre, hätt' ich
mich schwer in ihm getäuscht . . .
CURT: Wie er schmunzelt . . .
MAX: Schiller roch Begeistrung aus faulen Äpfeln
ich komm von dem Verdacht nicht los, daß er heimlich
'n Dichter ib ...
HANS JÜRGEN: So will ich ihn so lang hänseln,
bis er diesem Laster abschwört . . .
MAX: Ich hatt' auch Anlage zum Dichter . . . meine
Amme schnitt mir die Locken zu früh . . .
CURT: Mäxchen mit Löckchen . . .!
V. FAVARGER : Welcher zeitgemäße Mensch machte
keine Liebesverse . . .
HANS JÜRGEN: Schwätzerei!
V. FAVARGER: Ich habe höhere Ideen über das
Dichter sein ...
HANS JÜRGEN: Verdammte Schwätzerei!
V. FAVARGER: Ich will wieder klare Begriffe
schaffen . . .
MAX: So, die Feldflasche hab ich versteckt...
Woll'n ihn wecken ...
HANS JÜRGEN: Halt! Auf die Füße will ich ihm
treten, daß er denkt, er is zur Ente geworden . . .
MAX: Tu das!
HANS JÜRGEN: Und keine Neigung mehr zum
Dichter verspürst ...
V. FAVARGER: Da bin ich dabei!
MAX: Pst! Pst . . . Weiß was Besseres . . .
HANS JÜRGEN: Wenn du was Besseres weißt . . .
MAX: Auf „3" woU'n wir alle zu lachen anfangen.
HANS JÜRGEN: Gut. WiU's besorgen . . . aber auf 4
tret ich doch zu . . .
MAX {in der Rolle eines Kapellmeisters) : Vorüben . . .
Leise . . . Pst ...
ö 8i
HANS JÜRGEN: Mitmachen, Edgar . . .
EDGAR: Will nicht . . .
HANS JÜRGEN: Denn nicht . . .
EDGAR: Bin nicht in Stimmung . . .
V. FAVARGER: {will ihn aufhalten . . .) Warum denn
nicht . . . immer mitmachen . . .
EDGAR: Laß.. .! {Ah.)
V. FAVARGER: Verstehe nicht, wie man nicht in
Stimmung sein kann . . .
HANS JÜRGEN: Stimmung! Eiterbeulen an der
Luftröhre, nimmt sich und andern den . . . Atem . . .
MAX {unbeirrt): Also: i, 2 und 3 . . .
CURT: Hi, hi, hi . . .
HANS JÜRGEN: Ho, ho, ho . . .
MAX {der nach schnappt) : Hä, hä, hä . . . Unser Ter-
zett müßte einer Posaune ähneln . . . Donnern, wie
Zephirluft . . .
HANS JÜRGEN: Also: Eins, zwei — drei . . .!
ALLE (lachen).
HANS JÜRGEN (tritt auf Misters Füße).
MISTER: Au! (schnellt auf). Verflucht! Wohl
meschugge, wohl meschugge . . . (reibt sich die Augen).
MAX: 'n Meteor is vom Himmel gefallen . . .
HANS JÜRGEN: Hat er Ihr Füßchen zerquetscht?
CURT {jaßt Misters Bein an, der tritt zu, so daß Curt
zur Seite rollt).
Meine Eingeweide . . .!
MISTER: Das soll wohl witzig sein , . .
CURT: Misterchen!
HANS JÜRGEN: Traf den Falschen . . .
MISTER: Das is nicht anders auf dieser Welt! So
den Falschen traf's . . . will euch den Kladderadatsch
abonnieren . . . den will ich euch abonnieren . . . (steht
auf, bemerkt, daß ihm die Feldflasche fehlt) : Wer von euch
hat das Zeug da rausgenommen . . . ?
HANS JÜRGEN: Was?
MISTER: Wer hat die Rosen rausgenommen . .
HANS JÜRGEN: Was für Dinger?
82
MAX: Hosen? in der Schnapsflasche . . . Hosen . . .
CURT: Kerlchen, treiben wohl Wäschefetischismus?
MI STER : Schockschwerenot !
MAX {etwas eingeschüchtert) : Wer kauft Rosen . . . ?
IG Pfennig das Stück . . .
ALLE: Ha, ha , . . ha . . .
MISTER: Geben Sie! Geben Sie das Zeug her . . .
MAX: Zum i., zum 2.
HANS JÜRGEN: Donnerwetter! Augenroll'n!
MISTER: Verbitt mir's! Was soll der Blödsinn? was
soll der . . . Verbitt mir's ! {nimmt mit Gewalt die Rosen
fort).
ALLE: Nicht bös sein . . .
CURT: Stopf Ihnen die Röschen wieder rein , . .
MISTER {geht nach hinten, freßt die Rosen schnell an
die Lippen . . ., wirft sie dann in weitem Bogen ins
Meer).
HANS JÜRGEN: Was?
CURT: Warum das?
HANS JÜRGEN: Verstehn Sie kein' Witz?
MISTER: WiU's nicht mehr. Kann's Zeug nicht
mehr brauchen . , .
MAX: Er schnappt ein, meine Herren . . .
MISTER: Unsinn! hä . . . der Blütenstaub ist fort . . .
habt ja die Blumen alle in den Fingern gehabt . . . der
is nu fort! {will gehen). Eh man Mumien ausgräbt, sie
unter Glas setzt zum allgemeinen Ergötzen . . . ist's
besser . . . weg damit . . . Das is besser . . . Der Nimbus
bleibt dann gewahrt . . . der bleibt dann gewahrt ^ . .
Kinders . . . Gut Nacht . . . {kommt nochmals zurück) :
Hä . . . will euch übrigens schnell noch was sagen . . .
Ganz schnell . . . Wenn's in die Schlacht geht . . .
kämpft der Soldat besser ohne Gepäck, da kämpft er
besser ohne Gepäck . . . Schlauberger, die ihr seid . . .
bon soir . . . meine Herren, bon soir . . . {ab).
HANS JÜRGEN: Mir gruselt's! Wahrhaftig 'n Dich-
ter .. . {barsch) Sekt!
MAX: Ja! Champus her!
6' 83
HANS JÜRGEN: Weiß der Affe, wann wir wieder
Sekt zu sehn kriegen ?
CURT: In Afrika säuft man ja aus Wasserlöchern. . .
MAX: St! St!
PASTOR : {mit Büchern von unten aus dem Schifsraum
— sehr geschäftig) : Noch auf, meine Herren . . . ?
HANS JÜRGEN: Wie Sie sehen . . .
PASTOR: Wo ist der Herr Kommandeur?:
HANS JÜRGEN: Nicht hier ...
PASTOR: Will nicht stören. Gibt zu tun . . . Viel
zu tun . . . {ab.)
MAX: Mit Eichenlaub und Schwertern ...
HANS JÜRGEN {steht auf — reicht seine Flasche
herum): Kinders! unser Pfarrer Götz!
ALLE {stehen auf, trinken).
MAX: Wer steht da im Hintergrund?
HARRY {klappt mit dem Sporne zusammen).
HANS JÜRGEN: Komm doch her, Mensch . . .
ALLE : Komm . . .
HARRY: Sehr gütig . . .
HANS JÜRGEN: Wo steckst du immex?
HARRY: Wußte nicht, ob es den Herren recht ist . . .
HANS JÜRGEN: Blech!
CURT: Bist uns derselbe geblieben. Kerlchen . . .
MAX : Wenn du mir nur nicht so nach Kommissachen
riechen wolltest.
ALLE: Ha, ha. . .
HANS JÜRGEN: Fühlst du dich denn wohl?
HARRY: Ach!
HANS JÜRGEN: So . . . so; na das is die Haupt-
sache! Prost!
HARRY {steht auf): Prost, Herr Leutnant!
HANS JÜRGEN: Einmal noch — und du fligst über
Bord ...
HARRY: Bin so glückhch, daß ich wieder Soldat
bin ...
HANS JÜRGEN {gibt ihm die Hand) :
HARRY: Bäume könnt' ich ausreißen!
H
CURT : Komm mir nicht zu nah, Kerlchen . . .
MAX: Aber das Odeur . . . {steht auf).
ALLE: Ha, ha.
MAX: Ein Fluch ist's, eine feine Nase zu haben
{ah).
HANS JÜRGEN : Wo ist eigentUch Ernst Schlichting ?
HARRY: Auf den Mastbaum geklettert ...
HANS JÜRGEN: Paviansverwandtschaft . . .
HARRY: Die letzte Nacht, irgend was muß ich an-
stellen . . .!
ALLE: Tollen! sprüh'nü
HANS JÜRGEN: 'n Spielchen wollen wir machen . . .
HARRY: Spielchen {stutzt).
HANS JÜRGEN : Muß gefeiert werden, 's letztemal
auf dem Wasser . . . !
HARRY: Kinders, gibt's denn nichts andres . . .
HANS JÜRGEN : Wie immer ... Ich hab' die Bank . .
{holt Karten).
CURT: Spielst du?
HARRY: Spielen. . .!
HANS JÜRGEN: Einsetzen!
HARRY : SchließHch . . . Hier ist's was andres . . . !
CURT: Niedlich...
HANS JÜRGEN: Harry! Einsetzen . . .
HARRY: Hm... . \
HANS JÜRGEN: Zier dich nich!
HARRY: Nehmt mir's nicht übel . . . Rühr keine
Karten mehr an . . . Hab's mir geschworen . . .
HANS JÜRGEN: Tugendklotz.
CURT : Wenn er geschworen hat ...
HARRY {wieder lustig): So'n Eid! Über uns steht 'n
Fragezeichen ...
CURT: Holla.
HANS JÜRGEN: Holla ... He! Da weht ja 'ne
Schürze ran ...
MAX: 'ne Nixe gefangen (r«/?).
MÄDCHEN: Nein! Nein! . . . nein!
MAX : Artig. Mädel ...
85
HARRY {lebhaft interessiert): Fürs Nixlein Platz!
MAX: Wie heißt du? {setzt sich neben sie).
MÄDCHEN: Mein Herr!
HARRY: Keine Ahnung! Gnädiges Fräulein , . .
{kniet lachend). Nomina sunt odiosa. Nicht?
MÄDCHEN : Nein {entrüstet, da nicht verstanden, mit
Bedeutung).
HARRY: Nein?
MÄDCHEN {schneit) : Doch . . . doch . . .
MAX {will Harry verdrängen): Mit deinen Zauber-
formeln . . .
HARRY: Gnädigste . . . Eine Figur . . .!
MÄDCHEN: Sie sind sehr schmeichelhaft, mein
Herr . . . {außer sich).
MAX: Verteufelt . . . Bin schon wieder verliebt . . .
ALLE: Ha, ha, ha . . .
HARRY: Ein Händchen: Tatschel! Tatschel!
MÄDCHEN: Gott, nun ja . . .
HARRY: Schon verlobt?
MÄDCHEN : Mein Herr ... Sie bemerken auch alles . . .
HARRY : Sollt' mich doch wundern, wenn solch nied-
liches Wesen sitzen blieb' . . .
MÄDCHEN: Nun ja . . . ich hab' kein Muttermal
und keinen Leberfleck.
MAX: Deine Augen . . .
CURT: Meerweibchen haben besondere Augen . . .
HANS JÜRGEN : Ich kenne bei Mädels nur zwei . . .
Sorten: „Ja" oder „nein". Dazwischen: Phantasterei!
MAX: Was? Schnuckelchen {küßt sie).
MÄDCHEN : Sie sind so dreist, mein Herr . . . Nicht
doch . . .
HARRY: Ja doch {küßt sie).
MÄDCHEN: Wie wonnig is die Nacht!
HANS JÜRGEN: Kunststück!
MAX: Ich sitz' so gern ganz vorn im Bug . . .
MÄDCHEN: Ich auch.
MAX: Im Wellengischt . . .
MÄDCHEN: Ich auch...
86
MAX: Wollen wir hin . . . ?
MÄDCHEN: Ja...!!
HANS JÜRGEN: Verloren! Rettungslos!
HARRY: In der Bluse! Bei dem Wind! Weiß 'n
besseren Raum. Mollig . . .
MÄDCHEN: O Sie!
MAX {Vorgesetzter) : Der Kriegsfreiwillige . . .
HARRY: Herr Leutnant?
MAX : Loslassen . . . !
HARRY {stellt sich zur Wahl auf) : Nun ?
V. FAVARGER {stellt sich vor das Mädchen, lacht sie
an) : Nun . . . ?
MÄDCHEN : {zu Harry) Sie haben so viel Lebensart . . .
HARRY: {schiebt v. Favarger beiseite) Ihre Liebens-
würdigkeit wird nur durch Ihre Schönheit über-
troffen . . . {beide lachend ab).
MAX: Trotz des Odeurs. {Dann zu v. Favarger):
Und du läßt dich so einfach beiseite schieben . . . ?
V. FAVARGER q,acht wieder): Mt& Lied: Man glaubt
zu schieben und man wird geschoben.
MAX: Dann willst du 'n Dichter sein . . . Ein
Schieber bist du!
V. FAVARGER: Ha, ha, ha!
MAX {ihn vor Wut nachmachend): Hä, hä . . .
V. FAVARGER {unbeirrt) : Ha, ha . . . ha . . .
MAX: Lach nicht . . .!
V. FAVARGER: Ha, ha ... ha .. .
MAX: Mach mich nicht rasend.
HANS JÜRGEN {zur Ordonnanz, die Sekt bringt):
Hast du den Magen im Gleichgewicht ?
ORDONNANZ: Wohl.
HANS JÜRGEN: Kannst du noch satteln?
ORDONNANZ: Wohl.
CURT: 'ne Kandarrhe ins Matd legen?
HANS JÜRGEN: Oder hast du mit deiner Seekrank-
heit alles über Bord gespien ?
CURT: Da hängt das Zaumzeug ...
HANS JÜRGEN: Die Kiste zäum auf . . .
87
MAX: Ja: Los! Aufgesessen... So'n Weib!...
So'n . , . man läßt sich eben immer 'ne Nase machen . . .
V. FAVARGER: Ha, ha . . .
MAX {hilflos): Gott . . . Du hast ja ne ganz gewöhn-
liche Lache am Leib . . . Das kann mich doch nicht
irritieren. {Dicht vor v. Favarger) : Mich nicht . . . !
Hörst du . . .t
V. FAVARGER: Ha, ha . . .
MAX {außer sich — dann schnell zur Ordonnanz.)
Also: Los! . . . Rauf!
HANS JÜRGEN: Annahme: Das Meer da . . . sind
die Schwarzen . . . Nu los!
CURT: 'ne Attacke vorreiten . . .
ORDONNANZ: Wohl, Herr Leutnant . . . {unbeholfen).
CURT : Wo legst du das Zaumzeug an ?
HANS JÜRGEN: Da sitzt der Schwanz doch . . .
MAX: Andersrum den Sattel.
CURT: Gut, daß ich dir nicht den Mohammed an-
vertraut habe ...
MAX: Schenkel ran . . . Schenkel dreist ran ...
HANS JÜRGEN: Im Sattel sitzt er wie der Papst in
Spanien ... ^
MAX: Nun brülle! Löwenmut!
HANS JÜRGEN : Lustig ! Lustig !
CURT: Er müßte ein patriotisches Liedchen singen . .
ORDONNANZ {singt dreist los): Komm, Karlinken,
komm usw.
ALLE {lachen unbändig über die komische Figur).
EIN OFFIZIER {Regieweisung: Dieser Offizier ist
ohne jegliche Mystik zu spielen. Im Gegenteil, je natür-
licher er dasteht in seiner Angst, die ihn über das Deck
ruhlos treibt — um so stärker wird er wirken, in Kreis
und Bild oberflächlichsten Humors der jungen Leutnants.
Nur so kann in der Figur dieses Offiziers das heraus-
kommen, was beabsichtigt ist)
EIN OFFIZIER {im Mantel, hochgeschlagenem Kragen,
stellt sich in den Kreis, die andern stutzen einen Moment).
OFFIZIER: Darf man sich zu Ihnen setzen? -
88
ALLE : Selbstredend ...
HANS JÜRGEN: Trinken Sie 'n Gläschen?
OFFIZIER: Gern ... {trinkt 2 Gläser hastig aus).
ALLE {sehen ihn erstaunt an . . .).
MAX: Die Salzluft macht Durst . . . ?
OFFIZIER: Ha, ha . . . wer könnte ihn löschen . . .
{trinkt). Meine Herren, glauben Sie wohl, . . . daß wir
gleich drankommen . . . ?
HANS JÜRGEN: Na, aber feste, hoff ich.
OFFIZIER: Wie lang haben wir da wohl noch?
HANS JÜRGEN: 8 Tage ...
MAX : I . . . können wir alle längst ins Gras gebissen
haben ...
OFFIZIER: {steht auf . . ., geht ab).
CURT {schlägt sich den Kragen hoch).
MAX: Flegel!
HANS JÜRGEN : Sind das schon afrikanische Manie-
ren! Kinders, was sagt ihr jetzt zu meinem Tauben-
durst, wo diese Nachtmotte davon ist.
MAX: Könnt' das Meer austrinken. Jeder Tropfen
wird wieder als Träne verdunsten ...
HANS JÜRGEN: Was ist los mit ihm?
MAX: . . . Angst ...
HANS JÜRGEN: Armer Kerl! So —so — . . . .
So — so . . . {kleine Pause). Na, nu red' doch wieder
einer 'nen Ton! . . , He! Curt!
CURT: Laß!
HANS JÜRGEN: Max!
MAX: Hm?
HANS JÜRGEN {zu Gurt, der sich fest inr seinen
Mantel wickelt): W3i$ hast du denn?
• CURT: Hast du mal wa-s von Vorausahnen ge-
hört?
V. FAVARGER {lacht): So was gibts:. Spiritismus!!
Doch! doch! Hab's selbst mal gelesen . . .!
HANS JÜRGEN: Spintisierst wohl?
CURT: Nun, wenn du noch nichts von Vorausahnen
gehört hast ... - ■ : .
89
'ff- A MM&i ji'sil's^risi
HANS JÜRGEN {faßt ihn scherzend unters Kinn):
Na, Bengel, was ahnst du denn voraus ?
CURT (geheimnisvoll^ aber bestimmt): Wer von uns
fallen wird. Guter . . .
HANS JÜRGEN: Ich sitze. Warum soll ich fallen?
Sitze auf der ganzen Fläche . . . ha, ha . . . ha!
OFFIZIER [kommt zurück — lacht gezwungen —
geht zurück, an ihnen vorbei nach rechts).
HANS JÜRGEN {sieht ihm jetzt auch erstaunt
nach).
CURT: Bleib nur auf deiner Fläche, Häschen . . .
Hat er nicht Augen wie Calchas . . . ?
HANS JÜRGEN {leise, zögernd) : Was für'n As ? Von
was für'n Calch — as sprichst du, Mensch ?
CURT: Von dem, der vorhersah . . ., wen der Tod
gezeichnet hat . . .
HANS JÜRGEN: Ich verstehe von Malerei blut-
wenig . . . aber wenn du mir so kommst . . ., Donner-
wetter! Sterben! wer denkt ans Sterben! Du spintisierst,
B engelchen !
MAX {lacht gezwungen).
HANS JÜRGEN {zu Max) : Ist der Curt nicht ver-
dreht ? Ha, ha . . . {zu Curt) : Wen hat denn dein Calch-
As besonders aufs Korn genommen?
CURT: Kerlchen, wenn du noch nichts von Voraus-
ahnen gehört hast!
HANS JÜRGEN: Donnerwetter . . . Was störst du
unsern Humor ! War wohl gar der lebendige Tod ! Was ?
ha, ha . . . Na nu hört mir bloß auf ...
OFFIZIER {nimmt ein Glas, tritt hervor, entschuldigt
gewissermaßen seine Unhöflichkeit von vorher) : Nichts für
ungut, meine Herren . . . auf künftige Kameradschaft . . .
{bemerkt die verstörten Gesichter, lacht, stellt diesmal
das Glas sorglich an seinen Platz — ab).
HANS JÜRGEN {starrt ihm nach).
CURT {zu Max): Bist ja auch so still geworden.
MAX: O, nur so . . .
CURT: So nur so, ha, ha . . .
90
■^
MAX : Ob wohl die Post schon in Hamburg is ?
CURT: Kerkhen.
MAX: Was grinst du?
CURT: O, nur so.
MAX : So, so. Wenn der Aufstand nun schon vorbei
war' . . . und wir führen gleich wieder heim . . .
CURT: Hm.
MAX: Was: Hm?!
CURT: Na, Teufel: Hm!
MAX: Versteh dich, Curt.
CURT: Der Kasernenhof hatte viel Gutes an sich.
MAX: Aber einen Löwen hätte ich doch gern ge-
schossen
CURT: Kauf dir 'n Löwenfell, Mäxchen . . . Binde
den Leuten 'n Bären auf ...
MAX: 'n Bären sagst du?
CURT: Erzählst, du hättest den Löwen geschossen.
MAX: Gut, Curt . . ., das will ich tun . . .
{Beide ab.)
V. FAVARGER {hinterher ab, indem er die Melodie
aus dem I. Akt vor sich hin trällert . . .).
HANS JÜRGEN: Geht ihr? Seid verdreht! Curt!
Mensch . . . Seit wann betreibst du das Spintisieren,
ha, ha. (Wird plötzlich still, dann unnatürlich) : Ha . . .
ha . . . ha . . . {Dann wieder still.)
HARRY (mit Mädchen): Allein?
HANS JÜRGEN: Ja.
HARRY: Nixlein, wir stören {will gehen).
HANS JÜRGEN: Ihr stört? {gießt Sekt ein). Ver-
dammtes Spintisieren . . . ! Auf Eure Hochzeitsnacht !
{singt):
Immer in die Kehle rein
Mit dem süßen Champuswein . . .
Abstinenzler und Philister,
Mögt ihr auf den Himmel hoffen.
Bleibt doch traurige Geschwister,
Habt euch niemals recht besoffen,
HARRY (jällt ein):
91
Darum immer lustig rein ...
Mit dem süßen Champuswein . . . -
ERNST: Von weit her stört ihr die Feier der
Nacht . . . ^^
HANS JÜRGEN {Sektflasche in der Hand, setzt sich
breit auf die Kiste) :
Darum immer lustig rein
Mit dem süßen Champuswein . . .
ERNST: Teufel! Sauft Sekt in der Messe so viel ihr
wollt! Aber laßt einem 'nen Platz, wo man seinen Ge-
danken nachgehen kann.
HANS JÜRGEN: Mondanbeter!
HARRY: Wenn man Nachtigallen Pfeffer streut . . .
ha, ha.
HANS JÜRGEN: Weiß ein Schlupfloch, die Nacht
ist noch lang {will mit Harry und Mädchen ab).
ERNST {kurz): Harry!
HARRY {kehrt um) : Jawohl . . . ? {Hans Jürgen,
Mädchen ab.)
ERNST: Wann ist die Ronde .?
HARRY: Um 2 Uhr.
ERNST: Endlose Fahrerei .. .!
HARRY: Es will nicht Morgen werden.
ERNST: Die Minuten, möcht' sie vorwärts peit-
schen. •
HARRY : Ich vertrieb mir die Zeit ...
ERNST: Bewundere dich.
HARRY: Kein Grund ...
ERNST: Wie 'n Stehaufmännchen!
HARRY: Das sollte jeder Mensch sein . . .
ERNST: Sollte!
HARRY: In uns liegt aller Humor ...
ERNST: Und aUe Tragik . . .
HARRY: Bravo! Kommt nur d'rauf an, 's Rechte
an die Sonne zu führen! ...
ERNST {nachdenklich) : Philosoph . . . {Pause) . . . Gut
Nacht ...
HARRY {bleibt stehen, zündet sich eine Zigarette an).
92
ERNST {kommt zurück^ vefändM im Tonfall) : Fürchte
mich!
HARRY: Oh, oh, oh.
ERNST (^plötzlich verzweifelt) : Lache ! Harry ! Lache !
HARRY: Mit Hiimpr hat das nichts zu tun ...
ERNST: Mich verfolgt ein Gespenst . , .
HARRY: Dich ? . . . Welchem Sterblichen folgte keins ?
ERNST: Nenn's, wie du willst . . .Mich hetzt das
Bild meiner Braut ...
HARRY: Hier auf dem Schiff'. . .?
ERNST: Rumgerast bin ich . . . bis zu den Ratten .. .
dem Loch, wo die Schrauben sich drehn . . .
HARRY: Ich begleit' dich!
ERNST {sieht ihm ins Auge) x Wenn sie litt . ... Werd'
noch verrückt ! Litt um mich . . . {Kopf an seiner Brust.)
HARRY: Kümmere dich nicht um Vergangenes . . .
ERNST: Ein Heldenmädel! So weiblich dabei !
Harry ... So was Leuchtendes ...
HARRY: Wenn der Weg steil wird, sieht man sich
besser nicht um ...
ERNST {besinnt sich — dann kurz) : Gehn wir ...
HARRY: Gut...
ERNST {bleibt stehen) : Glaubst du, daß wir's erleben ?
HARRY: Zuversichtlich!
ERNST: Ja? Daß wir hinkommen ins Gefecht?
HARRY: Warum fragst du mich?
ERNST {kindlich): Weil du 'n Glückskind bist . . .!
HARRY: Denk' mal . . . Habe dasselbe Gefühl . . .
ERNST: Wenn, ich's nun aber night finde . . . Frei-
heit! Tat! ...
HARRY: Verdammtes Grübeln!
ERNST: Hätt' ich so leichten Sinn, wie du!
HARRY: Was ? ! Mich hetzen Begierden, toller als sonst
einen! Horrido! Lustige Jagd! Wer kommt zuerst an ?
. ERNST: Verwegene Kraft, woher ?
. HARRY. (Ää/^ Ernst seinen Arm hin); Die Muskel fühl:
ha, ha . . . Da steckt's Geheimnis . . . ! Bengel : wir s i n d
jung!!!!!
93
ERNST: Is das dein Humor?
HARRY: Er gibt uns Flügel!
ERNST {stark): Zur Ronde . . .
HARRY {im Gehen): Glücken muß alles! Will doch
wieder Leutnant werden ... ha ... ha .. .
{Beide ab.)
PASTOR {im Gespräch mit dem Oberst) : Herr Oberst
wünschen morgen den Feldgottesdienst : kurz . . . ?
OBERST: Kernig . . .
PASTOR: Bei Beginn eines Krieges? und ohne
Liturgie ?
OBERST: Ja.
PASTOR: Soll auch das Glaubensbekenntnis fort-
fallen . . . wie? ... ja? Verzeihung, 's läßt sich schwer
einrichten . . .
OBERST: Richten Sie es bitte ein . . .
PASTOR: Haben Herr Oberst schon den Psalm . . .
den Text gewählt . . .
OBERST: Sehn Sie doch einmal zum Himmel auf . . .
PASTOR: Aber ich müßte doch über einen symboli-
sierenden Text sprechen . . .
OBERST {würdevoll): Machen Sie es doch, wie Sie
wollen.
PASTOR {taktlos): Herr Oberst!
OBERST: Hm?
YAST^OK {salbungsvoll): Seit Tagen bemerke ich, wie
die schwere Verantwortung dieses ungeheuerlichen Krieges
Ihr Gemüt beunruhigt . . . quält . . . Herr Oberst . . .
Trost . . . Kraft ... im Wort Gottes . . . Buch Hiob . . .
OBERST: Mein Generalstabschef hatte noch Befehle
für Sie.
PASTOR: Ja, ich mein' . . . {zögernd ab unter Deck).
OBERST {sieht ihm lächelnd nach . . . Reckt sich
dann wie unter einer schweren Last auf zur vollen
Größe . . . Stramm, gerade, so sieht er in den unendlichen
WHtenraum hinein. Sein Kopf sinkt ihm wie vor der
Heiligkeit eines Mysteriums erschauernd auf die Brust . . .
er fällt in die Knie. Längere Pause).
94
ECKBRECHT {eifrig) : Herr Oberst suchen etwas ?
OBERST {schaut auf): Mein Kneifer! Danke! danke!
ECKBRECHT: Albydill! Licht!
MISTER: Die Laterne! {leuchtet).
OBERST: Hier! {steht auf). Vergeßt den Schlaf
nicht . . . {grüßt, ab).
ECKBRECHT {sieht ihm nach): Leicht wird's ihm
auch nicht.
MISTER: Und sein Entschluß steht fest!
ECKBRECHT {breitet Karten aus auf der Erde, kniet
bei der Laterne) : Da , , . hinter den großen Büschen sollen
die Schwarzen jetzt an den Wasserlöchern stehen . . .
MISTER: Nu sagen Sie bloß, Menschenskind, und er
will warten mit dem Angriff, bis alle Transporte da
sind . . . Was ? so lang will er warten ?
ECKBRECHT: Ich fürchte ... 's gibt mal wieder
'ne starke Geduldsprobe . . .
MISTER: Also, ich würde draufgehn . . . Feste drein-
hauen . . . auf die Bande ...
ERNST -(m Dienstanzug — auf seinem Rondengang,
mit kleiner Laterne): Wovon sprecht Ihr?
ECKBRECHT: Hast du mich erschrocken . . .
MISTER: Ernstel . . . auf dem Rondegang?
ERNST: Ja . , .
MISTER: Na, riechen Sie den Wüstenwind . , .
Riechen Sie den schon . . .
ERNST: Was sollen die Karten ? . . . Ist ein Schlacht-
plan gemacht? Weißt du Befehle? Sprich doch end-
lich . . .
MISTER {ärgerlich): Hm . . .
ECKBRECHT {abweisend) : Hm, hm . . .
MISTER: Sind Sie im BUde, Ernstel?
ERNST {plötzlich betroffen): Was soll das heißen?
ECKBRECHT: Vorläufig wiU der Oberst jedes Ge-
fecht vermeiden ...
ERNST: Eckbrecht!!!
ECKBRECHT: Lies den Funkenspruch . . .
ERNST {überfliegt ^z): Nein!
95
ECKBRECHT: Gib, gib!
ERNST: Was geschieht nun?
ECKBRECHT: Sind vorläufig nur zur Sicherheit
da . . .
ERNST: Was . . .!!! Geht das Spiel von neuem
los!!! - • .
ECKBRECHT: Ich muß fort . . . Hab' noch für die
Befehlsverteilung zu arbeiten ...
ERNST: Polizeitruppen sollen wir sein... Ha,
hahä ...
ECKBRECHT: Wenn's jemand hört . . . Bist du toU!
{rasch ab).
ERNST (g^ÄZ außer sich): Ich mach nicht mit!
MISTER: Werden Wu eben Farmer... Bauen
Kohl . . Kartoffeln . . . wenn's mit dem Geschieße
nichts wird . . . baun wir eben Kohl . . . ~
ERNST {reißt sich plötzlich den Rock auf): 's würgt!
MISTER: Seien Sie bloß verständig . . ., Ernstel . . .
Verständig soll'n Sie sein ...
ERNST: Fort! {Bewegungslos K off in verschränkten
Armen an der\ Treffe.)
MISTER: Fahren Sie eben zum Bräutchen zurück . . .
Fahren dahin zurück ...
ERNST (bewegungslos).
MISTER: Kräht doch kein Hahn nach ... ob wir
kämpfen oder nicht . . . Verständig sein, Ernstel. Mit
Ihrer Begeisterung! Hab' Sie immer gewarnt! Nüchtern
muß der Mensch sein! Der moderne Mensch, Ernstel,
muß nüchtern denken ! Nun kommen Sie zur Ronde . . .
ERNST {geht dum ff neben Mister).
MISTER: Ulkiger Kauz . . . ganz ulkiger Kauz' sind
Sie doch ...
ERNST {breitet beide Arme aus): Hedwig! {sinkt um).
MISTER {fängt ihn auf; in ihm wird aller Schmerz
wachgerüttelt . . . leise) : Hedwig ...
HANS JÜRGEN {leise summend) : Darum immer lustig
rein usw. usw.
CURT: Misterchen!
96
HANS JÜRGEN: Der Mondanbeter??? ha, ha . . .
MISTER (tonlos): Wir wollen ihn in die Kabine
tragen . . .
HANS JÜRGEN: Donnerwetter, is er seekrank ge-
worden ?
V. FAVARGER: EngHsch Riechsalz . . .
MISTER: Helft!
GURT: Was hast du, Jocheken?
HANS JÜRGEN {starrt auf den Offizier, der regungs-
los dasteht in grauem Umhang ~ vom Mond matt be-
leuchtet).
ALLE {heben Ernst rasch auf — tragen ihn fort, indem
sie auf den Offizier starren).
GURT {im Gehen zu Hans Jürgen): Du spintisierst
wohl, mein Kerlchen? {alle ab).
{Man hört wieder stärker das eintönige Rauschen der
Wellen^
{Der Offizier kommt langsam die Treffe herunter)
{Das Schiffs glas schlägt in diesem Zusammenhang 3 mal)
Vorhang.
97
BEFEHLSERTEILUNG IN AFRIKA.
{Es ist Nacht. — Man hört den Schluß eines einjachen
Chorals.)
PASTOR {geht über die Bühne nach rechts).
OFFIZIERE {hinter ihm. Sie versammeln sich nach
nach, sprechen im Flüstertori).
ECKBRECHT {zu Curt) : Der Oberst will's wissen . . .
War er dabei ?
CURT: Kerlchen . . ., ich kann dir's wirklich nicht
sagen.
ECKBRECHT {zu den Offizieren): War Ernst
Schlichting beim Gottesdienst ?
HANS JÜRGEN: Hat sich gedrückt . . ., ha, ha . . .
CURT: Ich muß sagen, Graf . . . kam hier auch
ohne Predigten aus.
HANS JÜRGEN: ... Proviant wird nächstens
durch Gesangsbücher ersetzt . . . ha, ha . . .
ECKBRECHT: Also: ich will noch'n paar Minuten
warten auf Schlichting . . . {ab).
CURT: Da steh'n wir . . .
HANS JÜRGEN: Nächstens üb'n wir wieder Parade-
marsch.
CURT: Wenn die kleine Kracht da is, veranstalten
wir 'n Gartenfest . . .
MISTER: Menschenskinder, von wem redet Ihr
VnS JÜRGEN: 1
MISTER: Was denn, die kleine Kracht? ha, ha . . .
Fräulein Hedwig Kracht kommt hieher ?
HANS JÜRGEN: Als Krankenschwester . . .
MISTER: Diese BräutCj die können 'n Menschen
ruinieren . . . Laßt gut sein . . . Ruinieren können sie
den . . . {sieht vor sich hin).
EDGAR {zu Curt): Hab solch Gefühl, als würden
wir heute getrennt . . .
CURT (lacht): Du mit deinem Gefühl . . .
98
■ MISTERt Kranke will sie pflegen, ha, ha ... Na
ja . . . Kranke . ... {ab zu den andern).
' MAX {schlägt Curt leicht auf die Schulter):
CURT {sieht sich um): Du bist's, Mäxchen ?
MAX: Sssssst! — Hör mal: unser Gespräch auf dem
Schiff . . . vergiß es . . .
CURT: Die Erinnerung ist wegradiert ... '
MAX {spuckt aus) : Verstehst du mich ?
CURT: Versteh dich, Max ...
MAX {spuckt nochmals aus) : Pfui Teufel, was wir
da gesagt ...
CURT: Kein Wort! Und den Löwen schießt du
jetzt doch ...
MAX {gibt ihm dankbar die Hand): Dabei bleibt's.
ECKBRECHT {tritt eilig auf): Is Schlichting jetzt
da?
HANS JÜRGEN: Ha, ha... Den hat der Harry
am Zügel ...
ECKBRECHT: Um die Wände hochzulaufen . . .
{i:x)ill ab).
MISTER {hält ihn auf): Menschenskind, Fräulein
Kracht kommt her ?
ECKBRECHT: Ja — mit dem nächsten Transport .. .
aber meine Herren, sagen Sie bitte Schlichting nichts . ..
ALLE: So?
ECKBRECHT: Der Oberst meint: Man soUe dem
Falter 's Licht nich grade unter die Flügel halten {ab).
CURT {lacht): Das war ja 'ne Grausamkeit ...
MISTER: Da hab'n Sie ganz recht, das war 'ne
ganz höllische Grausamkeit ...
MAX {nach kleiner Pause, schlägt sich den Kragen
hoch) : Sibirien is 'n Sonnenbad gegen dies Land . . .
V. FAV ARGER {tritt dazu) : Ich höre, überall is ' 's
Wasser verseucht ...
HANS JÜRGEN: 's geht mit 'm Typhus los . . .
MAX: Trag ja schon seit acht Tagen dasselbe
Hemd.
ALLE: Warum scheut man sich loszuschlagen . . . ?
7» - 99
MAX {umarmt Curt lachen^ : Furor teutonicus, wird
durch Liebe und Frieden ersetzt . . .
HANS JÜRGEN: 's is nischt mehr los mit dem
Offizier sein.
{Man hört entfernt Rufe und Lärm.)
OFFIZIERE {horchen auf).
CURT: Na? {geht zurück).
HANS JÜRGEN: Nichts!
MISTER: He! Pst! {ruft einen Reiter).
REITER: Herr Oberleutnant?
MISTER: Lauf mal auf den Termitenhügel. Lauf
mal da rauf . . .
ECKBRECHT: Ist Schlichting noch nicht da, länger
geht's nicht {ah).
MISTER: Der Ernst mit seinem Feuerkopf. Ich
hör doch Reiter kommen . . .
REITER {von oben): Herr Oberleutnant! Über die
Wüste im Galopp . . . kommen welche geritten . . .
MISTER: Ich sage . . . der mit seinem Feuerkopf . . .
HANS JÜRGEN: Der Oberst . . .
OBERST {hinter ihm v. Heidenhurg, mehrere Offiziere
und Eckbrecht).
OFFIZIERE {grüßen).
OBERST {dankt) : Sind die Herren alle versammelt ?
ECKBRECHT {grüßt).
OBERST: Meine Herren, die Befehle, die über die
Signallinie weitergegeben sind, scheinen nicht überall
verstanden zu sein.
OFFIZIERE {Gemurmel).
OBERST {bestimmt): Trotz meiner Befehle haben
Gefechte stattgefunden mit starken Verlusten ! Das geht
nicht! Wir müssen unsere Kräfte beisammenhalten.
Werden sonst niemals Herr über die Eingeborenen.
{Zu Eckbrecht {) Bitte teilen Sie jetzt die Befehle aus!
ECKBRECHT {beginnt damit).
ERNST {hinter ihm Harry).
OFFIZIERE {treten zurück).
OBERST: Ernst!?!! {zu Eckbrecht): Graf Borke!
IOC
ECKBRECHT: Herr Oberst!
OBERST: Ich denke: alle Herren sind versammelt?
Hier kommt Schlichting . . .
ECKBRECHT {grüßt, Hand an dem Hut).
OBERST {zu Ernst) : Woher ?
^ ERNST {stürmisch) : Melde gehorsamst, habe mit
einer Patrouille zehn Hereros gefangen . . .
OBERST {sehr ruhig) : Warum waren Sie nicht beim
Gottesdienst ?
ERNST: Gottesdienst!!!
OBERST {zu Harry): Henner, Sie waren bei der
Patrouille ? . . .
HARRY: Zu Befehl!
OBERST: Die Knallerei vorhin, ihr also wart's.
ERNST: JawoU, Herr Oberst!
OBERST {zu den Offizieren): Hören Sie zu, meine
Herren . . .
ERNST: Aus dem Busch griffen die Schwarzen uns
an . . . Ich eröffnete Feuer . . . und trieb mit zwanzig
Mann den Haufen in die Flucht . . .
OBERST: Bravo!
ERNST: Zehn nahmen wir gefangen . . .
OBERST: Und die übrigen?
ERNST: Liefen fort vor uns ...
OBERST: Wie weit . . . wohin . . .
ERNST: Ins Sandfeld!
OBERST: Ins Sandfeld .. . Meine Herren .. . Sie
hören's {nach einer Pause gibt er Ernst die Hand, kahl)
Gratulier' dir. Junge! Zur Feuertaufe!
ERNST {jubelnd, zu den Offizieren) : Wir kommen ran !
HARRY: Blut!
ERNST: Wie ich den ersten Schwarzen packte!
Feierlich ! !
HANS JÜRGEN : Und wir mußten 'ne Predigt hören . . .
ERNST: 's kam etwas über mich, wie ein Richteramt
.... Hab ihn erwürgt mit diesen Händen . . .
MAX: 'n Königstiger is 'n gezähmter Affe gegen . . .
Ernst . , . ha, ha . . .
loi
OBERST: Sind die Befehle verteilt?
ECKBRECHT: Gleich, Herr Oberst . . .
ERNST {zu Harry): Weiter so! Unbändige Kraft!
{Hebt Harry hoch) Prachtkerl! Wo endet das noch?
HARRY: An meine Beförderung denk . . .
ERNST: General , . .! ha, ha . . . wenigstens General!
ECKBRECHT {grüßt zum Oberst).
OBERST: Fertig?
ECKBRECHT: Wohl!
OBERST: Bitte!
OFFIZIERE {treten um ihn herurri).
CURT {liest): Die Hauptabteilung rückt südöstlich
der Gebirge bis zu den Wasserlöchern vor.
MISTER: Ich soll das Feldlazarett auf geradem Pfad
hieherführen. Dazu 15 Reiter als Bedeckung . . .
OBERST {zu Mister): Den Auftrag verdanken Sie
Ihrem Adjutanten!
HANS JÜRGEN: Ich soll mit 20 Mann auf dem
Gebirge eine Signalstation einrichten . . . und den Be-
fehls- und Nachrichtendienst zwischen dem Haupt-
quartier und den Regimentern vermitteln ...
ECKBRECHT: Dazu Leutnant v. Detleffson und
Baron v. Werkmeister.
MAX und EDGAR {betrübt)^ Zu Befehl!
ERNST: Als Adjutant des IL Bataillons ... Das
Bataillon wird zur Deckung der Artillerie kommandiert . .
Die Artillerie ist in Stellung zu führen ...
OBERST : In Eilmärschen ! . . . Wer hatte die Signal-
station !
HANS JÜRGEN: Hier, Herr Oberst!
OBERST {zu ihm) : Wechseln Sie mit Leutnant von
Schlichting den Befehl!
ERNST: Herr Oberst!
HANS JÜRGEN: Los! Hilft nichts!
v. FAVARGER: Was befohlen ist, wird gemacht . . .
ERNST {gibt den Befehl): Unmöglich! ...
EDGAR {zu Curt) : Siehst du, doch getrennt.
CURT: Für Mohammedchen heißt's jetzt laufen . . .
102
OBERST: Ihren Kommandeuren melden Sie: Ich
wünschte keinen Tatendrang auf eigene Faust! {Sieht
Ernst an)
ERNST {droht umzusinken).
ECKBRECHT: Runterschlucken . . . {Hält ihn)
HANS JÜRGEN: Beiß die Lippen blutig. . . aber
steh!
ERNST {rafft sich mit aller Energie auf).
OBERST {zusammenfassend) : Also nochmals : mein
Entschluß! Ich rücke mit der Nordost- und Haupt-
abteilung gleichzeitig, konzentrisch vor. Mit dem An-
griff wird gewartet, bis die Artillerie ran ist . . . Wir
werden den Gegner zwingen durch Masse und Waffen-
überlegenheit . . . Der König, das Vaterland erwarten,
daß wir den Boden den Farmern sichern . . . Handeln Sie
danach. — Den Befehl zum Angriff erfahren Sie durch
drei Leuchtkugeln von der Signalstation . . . {zu Eck-
brecht) : Der Apparat mit den Leuchtkugeln ?
ECKBRECHT: Nachgesehen und in Ordnung...
OBERST: Baron v. Werkmeister: den Apparat über-
nehmen Sie! -
MAX (grüßt).
OBERST: Das Leuchtkugelsignal wird nur auf Befehl
des Hauptquartiers gegeben ...
ERNST: Zu Befehl!
V. HEIDENBERG : Sollen die Herren gleich reiten ?
OBERST: Ob sie die Nacht oder morgen reiten, ist
mir gleich . . . Danke ...
OFFIZIERE {grüßen nach verschiedenen Seiten, ab).
ECKBRECHT {zum Mister): Albemarle: Ein Wort!
MISTER: Hm.? .
ECKBRECHT: Nehmen Sie sich doch noch sechs
Reiter mit.
MISTER: So brenzHch, Graf? so gefährlich der Ritt ?
ECKBRECHT: Der Oberst ist besorgt ...
MISTER: Treffen doch nich . . . Schießen doch vor-
bei, die Halunken . . .
ECKBRECHT: Gott, seine Tochter ist doch dabei ...
X03
MISTER: Was denn? . . . Beim Lazarett? Fräulein
Hedwig Kracht beim Lazarett ?
ECKBRECHT: Als Johanniterin.
MISTER: Und das Lazarett soll ich herführen . .
Und Sie haben mir das verschafft?
ECKBRECHT: Weil Sie doch zuerst auf der Liste
stehen: Schwere Patrouillen . . .
MISTER: So, weil ich da zuerst drauf stehe . . . na,
ich danke Ihnen, Herr Adjutant . . . Ich danke Ihnen
vielmals . . . {Gibt ihm die Hand) Menschenskind, ich
weiß 'n Büchlein, das von Psychologie handelt . . . Von
Psychologie handelt das . . . Verstehn Sie, Graf, das
kaufen Sie sich . . . {Will ab)
ERNST {eilt auf Mister zu) : Mister . . . Glückspilz !
MISTER: Auch Glückspilze wachsen auf dem Mist . . .
auf dem Mist wachsen die. {ruft) He! Pferde gesattelt!
ECKBRECHT {verständnislos) : Auf der Signalstation
erhalten Sie neue Befehle . . .
MISTER: Psychologie . . . vergessen Sie's nicht! {^b)
ERNST {starrt vor sich hin) : So nah am Ziel {schlägt
sich vor die Stirn).
HARRY (mit H. Jürgen und anderen Offizieren) : Man
hat auch mal Pech . . .
HANS JÜRGEN: Mir trag's nicht nach, Bengel,
mit dem Befehlswechsel.
ECKBRECHT: Muß dir sagen: Finde's ganz in der
Ordnung . , .
ERNST: Behalt deine Weisheit für dich . . .
HARRY: Bravo . . .
ECKBRECHT {zu Ernst): Machst solchen Leicht-
sinn mit.
ERNST : Wir hielten kämpfen für nützlicher als beten . . .
HARRY: Und das ist 'n Staatsverbrechen . . .
ECKBRECHT Schmieren Sie mit den
Reitern zusammen die Zaumzeuge ein . . ,
HARRY: Hm?
ECKBRECHT {zu Ernst) x Solltest dich besser fern
halten von dem . . .
104
HARRY (springt auf ihn zu) : Von dem . , . ? doch . . .
Zu Ende das Wort . . . !
OFFIZIERE {trennen beide).
ECKBRECHT: Seien Sie froh..., daß man Sie
duldet , . . {ab).
» {Pause.)
HANS JÜRGEN {treu): Mensch, bist du etwa
gekränkt ?
HARRY: Nicht im mindesten... {bewegt): Kann
einem Wahrheit kränken.
HANS JÜRGEN: Hör nicht auf den Quatsch. . .
ERNST: Wohin?
HARRY: Zaumzeuge schmieren . . .
HANS JÜRGEN: Verrückt ...
ERNST: Ich halte zu dir . . .
HANS JÜRGEN: Doch klar . . .
HARRY: Herzlich freut's mich {gibt beiden die
Hand) : Und Sie, meine Herren . . . ? Sie schweigen . . . !
Na ja!
OFFIZIERE {ab).
HARRY {zu Ernst und Hans Jürgen): Ehemalige
Freunde und Kavaliere ! Wundert's euch . . . ? So
tief muß man kommen . . . Dann zeigt sich die Welt
ohne Schminke.
HANS JÜRGEN: Mensch! Was?
i HARRY: Was? Auf mir lastet kein guter Ruf
mehr. . .!? ha, ha, Jocheken . . . Lustig . . .! Mir
ist's da {Herz^ so leicht, als hüpfte ich . . .
HANS JOCHEN: Donnerwetter . . . sachte . . .
HARRY: Jetzt 'hab' ich Platz...! Nun will ich
mich austollen . . . {mit Hans Jürgen ab).
ERNST: Wo? . . . auf dieser Signalstation! {ab).
OBERST {zu V. Heidenber£): Den kürzesten Weg
berechnen Sie . . .
V. HEIDENBERG: Jawohl ...
OBERST: Der Artillerie diktieren Sie danach den
Marschbefehl . . .
V. HEIDENBERG {grüßt).
105
OBERST: . . . Finden Sie, daß ich zu hart gegen
Schlichting war ?
V. HEIDENBERG: Aber Herr Oberst . . .!
OBERST: Spür'n Sie nicht, wie's in den jungen
Köpfen brodelt ?
V. HEIDENBERG: Disziplin bleibt Disziplin..:
OBERST: . . . Ja, ja . . . aber . . .
ECKBRECHT: Ein Krankenrapport.
OBERST: Schon wieder? {Liest.) 36 Tote . . .
ECKBRECHT: Typhus! — Leutnant v. Schlichting
bittet, Herrn Oberst sprechen zu dürfen . . .
OBERST: bitte . . .
ECKBRECHT {ab).
OBERST: Ich wußte es . . . Heidenberg . . .!
V. HEIDENBERG {der in Plänen vertieft): Bis zum
Gebirge sind's annähernd 120 Kilometer , . .
OBERST {stutzt) : . . . So . . . {dann wie er Ernst
sieht, kurz zu v. Heidenberg) : Also, daß die Artillerie
rankommt . . .
V. HEIDENBERG {grüßt, ab).
OBERST {beschäftigt sich mit den Karten, die vor ihm
auf einer Liste liegen).
ERNST {innerlich wild kämpfend).
OBERST {sieht auf) : Recht, daß du kommst . . . Setz'
dich . . . Du reitest wohl erst morgen ?
ERNST {schweigt).
OBERST: Setz dich doch, Junge . . .
ERNST: Ich bitte Herrn Oberst dienstlich sprechen
zu dürfen , . .
OBERST: Ja?
ERNST {militärisch voller Selbstbeherrschung): Ich
bitte Herrn Oberst . . . {in leidenschaftlichem Ausbruch-)
Diese Signalstation ! ! . . . Es kränkt mich . . . !
OBERST: Das soll es nicht
ERNST: Den Befehlsaustausch! Warum vor allen
Offizieren ?
OBERST: Dein Patrouillengefecht ? Hast du's uns
verheimlicht . . .1
106
ERNST {schweigt).
OBERST: Klugheit . . . Keine Kränkung liegt in
dem Befehl ...
ERNST: .Ich fühl' sie aber ...
OBERST: Ist das ein Grund, daß du's mich fühlen
läßt?
.ERNST: Warum strafen Sie mich mit dieser Signal-
station ?
OBERST : Stellt man Vorgesetzte zur Rede ? ?
ERNST: Dort oben im Gebirge . . . Keine Katze
krieg' ich zu sehn ... Unten wird man Gefechte schla-
gen . . . Ich werde die Siege noch signalisieren dürfen . . .
OBERST: Im Feuer warst du schon . . .
ERNST: Deswegen grad' schmerzt es noch mehr!
OBERST: Der Ton gefäUt mir nicht! Der Soldat
tut seine Pflicht, wohin man ihn stellt . . . !
ERNST: Jahraus — jahrein hab' ich die Pflicht auf
dem Kasernenhof erfüllt ...
OBERST: Soll der Krieg was andres sein?
ERNST: Ja! Vater!! ja!!!... Wenn er nichts
andres war'!!!
OBERST {legt ihm die Hand auf die Schulter)-. Krieg
ist kein Räuberleben ... wo jeder tun kann, was er will . . .
Auch hier heißt Pflichterfüllung: Tat!
ERNST {Hand vor den Augen).
OBERST: Tollkopf! Dein Drauflosgehen war un-
nütz! hat geschadet! Wollte jeder so handeln!!
ERNST: Was jagte mich fort . . . von Heimat und
Braut . . . {Pause) Kämpfen wollt' ich für eine Idee !
Bahn brechen andern! Für diesen Traum hab' ich gelebt .
gedient . . . Bleibt dieser Rock nur Maskerade . . . ?
Fühlen will ich's . . . daß ich Offizier bin . . .
OBERST: So tu deine Pflicht . . .
ERNST {sich windend unter der Strenge) : Ja, was bin
ich denn da! . . . nicht viel mehr als irgend 'n Tele-
graphist !
OBERST: Junge!
ERNST: Ist alles Phantasie!
107
OBERST: Was verlangst du denn?
ERNST: Gib mir meine Begeisterung wieder!
OBERST: Schwärmer!
ERNST: Deswegen also bin ich hier. Ich werde
signalisieren müssen . . . !
OBERST: Junge, wer die Ehre hat, den Rock zu
tragen . . . dient höheren Zwecken, als sich selbst . . .
ERNST {aufbrausend) : Der Zweck des Menschen ist
zu handeln!
OBERST: Zieh den Rock aus! Werd' Krämer, was
du willst . . .
ERNST: So nicht . . .
OBERST: Zeig dich deiner Väter wert!
ERNST: In meinem Alter war'n sie Helden!!
OBERST: Vergleich nicht! Geh deinen Weg un-
beirrt . . . den graden Weg der Pflicht ... Wie du ihn
gehst, mein Sohn, darin sei Held!
ERNST {stampft mächtig auf . . . stürmt ab).
OBERST {ihm nach . . . bleibt stehen . . . bewegt) : Ge-
liebter Bengel . . . ! {Geht unruhig auf und ab . . . Kramt
in den Karten . . . setzt sich an die Kiste, Kragen hoch.
Hut auf, sieht in den Himmel . . . Pause.)
V. HEIDENBERG {leise) : Herr Oberst . . .
OBERST {schreckt auf . . . freudig) : . . . Ernst ! ! . . .
ach Sie sind's, Heidenberg . . .
V. HEIDENBERG: Herr Oberst sind an der Reihe,
die Ronde zu gehen . . .
OBERST {steht wieder auf, hängt sich ohne ein Wort
zu sagen, den Patronengurt um . . ., nimmt das Gewehr
zur Hand, geht ab zur Ronde . . .).
V. HEIDENBERG {jolgt).
Vorhang.
io8
VIERTER AKT.
SIGNALSTATION IN DEN AFRIKANISCHEN
BERGEN.
ERNST: Proviantkolonnen sind nicht angekommen.
HARRY: Pech!
ERNST: Aber die Leute . . . Sieh sie dir an! (Jb.)
HARRY (hinterher): I! Die Kerle sind noch feist
und dick!
ZWEI REITER (apathisch) : Zwei Reiter von Posten
zurück.
HARRY: Euren Reis kocht!
I.REITER: Wasser!
HARRY: Nehmt Spucke!
MAX: An die Kochlöcher: los!
REITER (Jollen wie tot vor Ermattung hin).
HARRY (zu Max): Brot? (zairft es ihm hin).
MAX: Danke! (Spuckt es wieder aus) Rattenzähne!
Sägenlippen . . . ! Krigt sonst das Zeug nicht klein . . . !
HARRY: Vorgestern mittag kroch mir 'ne Spinne
am Arm!
MAX : 'ne Spinne sagst du ?
HARRY: Ich sage: es liegt was in der Luft!
MAX (daraufhin) : Mein Karabiner . . .
ERNST (kommt von oben): Sind die Leuchtkugeln
bereit ?
MAX (am Apparat beschäftigt): Sofort, Herr Gene-
ral .. .
ALLE: Soll's losgehen?
ERNST (überhört es, dann zu den Reitern): Warum
kocht ihr nicht ab ?
REITER (sehen ihn blöde an — stehen nach und nach auf).
ERNST (zu Edgar, der in ein Buch vertieft ist) : Sind
die Patronen gezählt?
EDGAR (sieht auf) : Nein . . .
ERNST (über ihn weg) : Unsere Typhustoten sind sie
notiert ?
HARRY: Mit dem letzten Bleistift ...
MAX: Sozusagen hat alles 'n Ende . . .
III
ERNST: Posten verdoppelt? "'■
HARRY: Jawohl...
MAX {meldet) : Leuchtkugeln in Ordnung . . .
1. REITER: Wollte um neuen Proviant bitten . . .
HARRY: Wenn ihr nur zu fressen habt . . .
2. REITER {steht müde da) : Unsere Konserven sind
schimmlig . . .
ERNST: Steh still! {Reiter fährt zusammen) Aus
meinem Zelt hol!
V. FAV ARGER {trällert): Es schwimmt eine Leiche
im Landwehrkanal . . .
MAX {zu den andern) : Habt ihr mal beobachtet, wie
'n Apfel fault?
POSTEN (ruft nach unten ins Tal) : Parole ?
MISTER {von unten): Der König!
POSTEN: Durch!
MISTER {kommt über die Steine geklettert) : Bon soir,
ich sage bon soir . . . Ihr feiert wohl Liebesmahl ?
HARRY: Leider ist der Sekt gerade zu Ende,
ha, ha.
MAX: Tatsächlich, Sie kommen 'ne Minute zu
spät . . .
MISTER {zu Artist) : Sind für mich Befehle da ?
ERNST: Nein.
MISTER: Was denn: es sind keine Befehle für mich
da?
ERNST: Ist die Artillerie bald ran ?
MISTER: Keine Ahnung . . . Menschenskind . . . •
aber 's zieht sich was zusammen im Tal . . .
ALLE : Wo stehen die Truppen ?
MISTER {umständlich auf den Boden zeichnend) :
Paßt mal auf, Kinders: Da sind die Wasserlöcher . . .
Davor stehen die Schwarzen . . . und unsere Bataillone
lagern gegenüber, und . . .
ALLE: Und —
MISTER: Und haben Durst . . .
V. FAV ARGER: Als säßen wir an den Quellen des
Nils.
112
ALLE: Ha, ah . . .
MISTER: Was denn: Triste, höllisch triste, Kin-
ders! 's gibt nichts mehr zu saufen!
HARRY: Vorgehn, also!
MISTER: Sehn Sie wohl! Das denken alle! Darum,
Kinders, wenn der Angriffsbefehl nicht bald kommt . . .
HARRY: Mein Spinnchen!
MISTER: Ich sage, wenn der nicht bald kommt . . .
dann passiert was . . .
HARRY: 's juckt im Blut!
ERNST: Daß man abhängig ist vom Hauptquartier!
MISTER (zu Max, der an seinem Gewehr beschäftigt
ist) : Ihren Karabiner ölen Sie schon ?
MAX: Wegen der Geier . . .
MISTER: So, wegen der Geier . . . 'n Hauptkerl sind
Sie . . . {Farbenreicher Sonnenuntergang)
ERNST: Fällt in die Nacht wie 'n Feuerball . , .
HARRY: Wär's das letztemal vor der Schlacht!
ERNST (auf dem Felsen): Sphinxauge!
EDGAR {der von seinem Buch aufsieht) : Seht recht
hin, ist's nicht gerade, als lachte die Sonne uns aus . . . ?
ERNST {aus seiner Stimmung gerissen, kurz zu den
Reitern) : In die Zelte kriecht rein . . .
V. FAVARGER: Ja, Nachtruhe machen ....
MISTER: Ulkiger Kauz mit Ihrer Sphinx!
ERNST: Meinen Sattel!
HARRY: Feuer ordentlich an {zum Reiter, der das
Feuer anlegt).
MAX: Hat doch keine Luft . . .
MISTER {mit Bedeutung) : Hat doch keine Luft . . .
Schlauberger . . . wie sollt's da brennen . . . ! Hat doch
keine Liift . . .
HARRY {bietet allen an) : Tabak ?
MISTER: Rauch' meinen besonderen Knaster . . .
V. FAVARGER: So was muß man nicht ausschlagen . .
{Alle setzen sich ums Feuer)
ERNST: {Kopf auf den Sattel streckt beide
Arme zum Himmel).
8 113
HARRY {zu Max) : Kokettierst du mit den Marsbe-
wohnerinnen ?
ALLE (lachen).
MISTER: Menschenskind, Max, machen Sie nicht
solche Stielaugen, Sie soll'n nicht solche Stielaugen
machen.
HARRY: Seht Euch den Werckmeister an, ha, ha . . .
MAX {setzt das Monokel ah^ betrachtet verlegen den
Himmel) : Sterne ! !
ERNST {erstaunt) : Mäxchen . . . !
MAX: Gehn auf . . . gehn unter . . . Abend für
Abend.
HARRY: Das is nu mal seit Adam nich anders . . .
ha, ha . . .
MAX : Seit Adam sagst du ? Merkwürdig . , .
MISTER: HöUisches Rätsel . . .
HARRY: Ha, ha . . . Baron . . , zum erstenmal ja
ohne Monokel . . .
ALLE: Max!?!
MAX {in Betrachtung): Diese Sterne! Unheimlich!
HARRY: So'n Krieg! Wie 'n Sieb! ha, ha.
MISTER {hat Edgar scherzhaft das Buch fortgenom-
men) : Was lesen Sie denn, Menschenskind . . .
EDGAR: Geben Sie . . .
MISTER: Die Zeit der Hellenen. Helene? Bürsch-
lein . . . Verliebt ?
EDGAR {reißt es zurück) : Muß einem alles beschnüf-
felt werden, {^b.)
MISTER: Die Zeit der Hellenen liest er . . .
ERNST: Mag den Edgar nicht . . .
HARRY: Das weiß er.
ERNST {horcht auf): Woher?
MISTER: So was fühlt man . . . Ernstel ... So was
spürt man . . .
MAX {klettert höher auf die Felsen) : Ich glaube, ich
war 'n guter Astronom geworden . . .
ERNST {durch die Zähne): Wenn du den Glücks-
stern findest . . .!
114
HARRY {zu Ernst): Ne Laterne gefällig, ha, ha?
{dann zum Mister): Dies verfluchte Solidesein . . .
bringt 'n Mensch auf den Hund . . .
MISTER: Menschenskind, ich hör doch, daß Sie
Ihre ganze Löhnung wieder los sind ...
HARRY: Kavalierpflicht! Nach mir zappelt's doch
im Dunstkreis jeder Stadt ... da gehn eben so'n paar
Groschen drauf ...
MISTER: 'n leichtsinniger Kerl sind Sie . . .
HARRY: Dafür werden sich die Mädels reizend
machen: Weiße Hößchen . . . Rosa Bändchen . . .!
Ol . . . io . . . {zu Max, der es nicht beachtet). Wird zum
braunen Reitersmann gut stehn, was ?
MISTER: Ha, ha . . . Richtig . . . Man ja sich
nicht an eine ketten . . . folgt einem wie'n Alp durchs
Leben . . .
ERNST {richtet sich auf, um auf andere Gedanken zu
kommen): Heda! Ein Kerl brennt an!
MISTER: Die folgt einem, wie 'n Kartoffelalp.
HARRY: Laß ihn schnarchen!
ERNST: Rüttelt ihn wach!
1. REITER (^r^-g^): Wach auf, Mensch!
2. REITER: Brennst an!
1. REITER: Schläft wie in der Sonntagspredigt , . .
2. REITER: Oller Hamster, aufwachen . . .!
I. REITER: Herr Leutnant, ich melde: ich glaube,
er ist tot . . .!
ERNST {ist aufgesprungen): Unsinn! Du! vom Feuer
rück weg . . . !
MISTER {der erkennt, daß der Reiter tot ist) : Ne, ne,
Ernstel! Der kann nich mehr aufwachen . . . Lassen
Sie gut sein . . . Menschenskind, der kann nich mehr auf-
wachen.
ERNST {kurz) : Tragt ihn beiseite . . .
V. FAVARGER {geht mit).
REITER {tragen den Toten stumpfsinnig fort). {Einen
Augenblick wird's still.)
HARRY: Na, Mister . . . hören Sie auf zu rauchen?
8»
"5
MISTER: Schmeckt mir nicht mehr {steckt seine
Pfeife ein).
REITER (kommt von der Lampe) : Ich wollte um Ab-
lösungsmannschaft bitten . . .
ERNST: Was heißt das?
REITER: Wasser! Herr Leutnant! Wir krepieren
sonst oben.
ERNST (steht auf) : Werde die Lampe selber bedienen.
HARRY (zu Ernst): Bleib! (packt dann den Reiter
am Arm): WoU'n den Kerl's was vom Ertrinken er-
zählen . . . ha, ha . . . (beide ab).
ERNST (legt sich wieder hin — ; Kopf auf den Sattel).
MISTER (der die ganze Zeit ins Feuer gestarrt hat):
Quatsch! Quatsch sag' ich ... ! Jetzt hat's der Junge ja
gut ! Wenn wir erst so weit sind, . . . Ernst ! Möchten
Sie hier begraben sein . . . ? Ernst . . . schlafen Sie ... ?
ERNST: Ich döse.
MISTER: So, Sie dösen . . . verzeihen Sie nur . . .
Sie dösen . . .
ERNST (richtet sich auf): Darf man den Mensch
unter Pflichten hämmern ! .?
MISTER: Darf oder nicht . . . Ernstel, man wird
eben gehämmert . . .
ERNST: Zertrümmern . . ._ Kraftdrang! (Geht zu
Max, beugt sich über ihn.) Uber'm Sterngucken ein-
geschlafen . . . (Kommt zurück — sieht sich um.) Wie'n
Gefängnis, der ganze Platz! (Starrt vor sich hin, dann
plötzlich lebhaft zu Mister-) Erzählen Sie von Ihrem
Ritt mit dem Feldlazarett . . .
MISTER: Nichts zu berichten.
ERNST: Von Ihrer Patrouille . . .
MISTER: Sind eben geritten . . . feste geritten . . .
ERNST: Wieviel Wagen?
MISTER: Acht Ochsenkarren . . . mit acht Ochsen-
karren zogen wir durch die Wüste ...
ERNST: Geschossen unterwegs?
MISTER (mit Bedeutung) : Ne, ne . . . still ging's wie
'ne Beerdigung, als begrübe ich was . . .
ii6
ERNST: War'n Frau'n dabei?
MISTER: Selbstredend war'n Weiber dabei . . .
ERNST : Krankenschwestern ?
MISTER: Krankenschwestern!
ERNST (küßt flötzUch Misters Hand).
MISTER: Was tun Sie?
ERNST: Weiß selbst nicht
MISTER : Um Gottes willen . . ., was machen Sie denn ?
ERNST: Durchs Hirn jagte mir was . . .
MISTER {lehnt seinen Koff an Ernstes Schulter):
Ernstel, bin ja'n gemeiner Kerl . . . Nicht der, für den
Sie mich halten . . .
MAX {von den Felsen — er ist auf gewacht) : Träumte,
der Krieg wäre vorbei . . .
MISTER {setzt sich den Hut tief ins Gesicht) : Nicht
Ihr Freund!
MAX {horcht) : Ein Geier schreit ... zu bedeuten
hat's was . . . Hört Ihr ihn ? Wittert Aas . . . näher
kommt er jetzt . . .
MISTER: Meinen Mantel . . .
ERNST: Frieren Sie?
MISTER: Ja.
ERNST: Warum nicht mehr mein Freund? {dann
zu Harry, der von der Lampe kommt) : Meldungen von
der Artillerie da ?
HARRY: Nichts!
ERNST {stampft stark auf die Erde, dann wieder zu
Mister): Sagen müssens Sie mir's ....
MISTER {setzt sich den Hut noch tiefer ins Gesicht).
HARRY: Wird eben weiter signalisiert ; ha, ha : Auf, zu
{mit Bezug auf das Hell- und Dunkelwerden der Lampe).
ERNST: Auf ...!... zu!! wie Qualträume huscht's
ins Finstre . . . {Ab.)
HARRY {hinterher): Bengel, die Luft ist elektrisch!
Bald bhtzt es! Ha, ha... {Ab.)
MAX: Da fligt er wieder . . . Rauscht mächtig ran . . .
MISTER: Wer?
MAX: Der Geier ...
117
MISTER: Lassen Sie mich doch mit Ihrem Geier
in Frieden . . {Steht auf.) Lassen Sie mich doch bloß in
Frieden mit dem . . . {Ab.)
MAX: War ich nur Astronom geworden . . . {setzt
sich wieder).
EIN REITER {eilig von der Lampe): Für die Lampe!
Kerzen! neue Kerzen!
1. REITER: Diensteifriges Aas!
EIN REITER: Wo ist der Leutnant?
2. REITER: Was zu saufen, Lümmel!
EIN REITER: Kann selbst nicht mehr p !
I. REITER: Und dann läufst du Rind!
EDGAR {mit Buch . . . erliest).
REITER {kriechen zurück).
MAX {der den Vorgang beobachtet hat): Edgar!!!
EDGAR {sieht auf): Noch im Weltenraum, Max?
MAX {mit Bezug) : Was glaubst du wohl, wie lang der
Mensch ohne Wasser auskommt ?
EDGAR: Vorkommen soll's, Mäxchen, daß er ein
Leben lang dursten muß ...
MAX: Hab' ja was Furchtbares gesehen . . .!
EDGAR: Furchtbar? Weiß nur . . . eins; aber das
meinst du nicht . . .
MAX {wichtig): Hör' mal: Unsre Reiter müssen be-
schäftigt werden . . . {Ab.)
EDGAR: Dachte: Hättest 'n neuen Planeten entdeckt
für Kreaturen wie mich . . . {geht weiter^ liest).
ERNST {kommt hinterher, ruft ihn kurz an): Det-
leffsen !
EDGAR {sieht sich um): Ja?
ERNST: Wieviel Patronen?
EDGAR {geht langsam auf ihn zu): Schlichting!
ERNST {ausweichend) Immer noch nicht gezählt ?
EDGAR: Du! . . . Woll'n wir bis zum Tod neben-
einander so herlaufen ? .
ERNST: Verteil sie sinngemäß an die Reiter.
EDGAR: Warfst mir Knüppel in den Weg, seit wir
uns kennen ...
ii8
ERNST: Die Meldung hätte ich gern gleich!
EDGAR {unbeirrt) : Bin drüber raus . . . mich zu
schämen! zu ducken . . . Kraft gab mir Pfarrer Götz!
• ERNST (läßt ihn stehen).
EDGAR: Deine Hände!
ERNST: Zum Dienst geh'!
EDGAR: Sind bald am Ende! Gibt's keine Brücke?
ERNST: Mit dir verbindet mich der Dienst!
EDGAR: Gut! . . So kämpfen wir für den König
doch . . . beide ! !
ERNST {sieht ihn verächtlich an) : Posten kriegen dop-
pelte Munition! {Jb.)
EDGAR : Schlichting !!!... {dann nach hinten zu den
Soldaten) ha, ha ! ! ... Also los : Patronen vorzeigen ! !
HARRY {deutet auf eine Gruppe von Reitern): Haben
die da aufgemuckt!
MAX: Die waren's!
HARRY: Bande!
CURT {kommt über die Steine, matt): Wasser!
Kerlchens !
HARRY und MAX: Curt!
CURT: Wasser!
HARRY: Fließt auch in Afrika nicht bergauf . . .
CURT: Nirgends Wasser!! {Verzweifelt ab.)
MISTER {zu Ernst, der auf ihn mit Bitten einstürmt) :
Herrschaften, quält einem nicht bis aufs Blut ...
ERNST: Warum nicht mehr mein: Freund?
MISTER: Ich sage: quält einem nicht so . . . Bengel,
ich hab 'n Herz, 'n Herz hab' ich . . . Nun . . , macht
mich nicht rabiat ...
CURT {kommt zurück): Ernst! aus dem Feldlaza-
rett . . .
ERNST: Aus dem Hauptquartier was gehört?
CURT: Nein.
ERNST {wirft den Zettel wütend auf die Erde).
CURT {hebt ihn auf) : Von deiner Braut . . .
ERNST: W'as? {Überfliegt den Zettel — rennt zum
Mister — zu Curt, zu Harry nach Worten suchend.)
119
Bin ich bei Sinnen noch? Ist's möglich? Mädchen!
tapferes Mädchen!!
REITER {ruft von unten): Oberleutnant Albemarle!
STIMMEN: Oberleutnant Albemarle!
MISTER: Hier!
REITER: Auftrag!
MISTER: Was denn? Für mich?
REITER: Vom III. Bataillon . . .
ERNST {auf Harry zu): Harry, was soll ich davon
halten ? Hedwig ist hier ? {Dann auf Mister zm) : Er-
ahnt! nun gewiß!!
MISTER {zu den anderen lebhaft, indem er sich rüstet)
Lebt wohl . . . ich sage ade!
ERNST {zu Curt) : Das Lazarett, is es weit von hier . . ?
CURT: Bin zwei Stunden geritten . . .
ERNST: . . . zwei Stunden nur!! Und jetzt hier
eingesperrt zu sein!
MISTER: Nu is 's wieder ne Lust Soldat zu sein,
aber 'ne ganz höUische Lust . . .
ERNST: Hetelchen!
MISTER: Endlich weiß man . . . wofür das Blut
kocht . . . Teufel ... das weiß man jetzt . . . Der Auf-
trag hat's in sich. Das is'n Pöstchen! Schwerenot —
nochmal ... ein ganz höllisches Pöstchen is das! Nu
hoff ich blos, daß die Engel da oben keine Mädchen
sind .... Mehr erhofft sich der Mister nun nicht . . .
ERNST: Haben ja meine Hedwig beschützt . . . {zu
den andern).
MISTER: So oder so . . . Kinders . . .
ERNST: Warum wollten Sie keinen Dank?!
MISTER: Ich sag so oder so {gibt Ernst kräftig die
Hand): aber in Ehren! {stürmt ah).
ERNST: Hören Sie . . . Mister!!
MAX {nach Pause) : Meint ihr ... , daß er wieder-
kommt . . .
ERNST {ist ihm nachgegangen, dann oben auf dem Fels,
durch die Zähne) : 'N Glückspilz is er doch ! {kommt zu-
rück., zwingt sich gewaltsam zur Haltung.
I20
HARRY {leichthin) : Um 'n Mister is mir nich bange,
{Dann ahnungsvoll tief) wird sich schon amüsieren . . .
ERNST {krallt Harry ins Haar)-. . . . Sonniger Kerl!
CURT {lehnt völlig erschöpft an einem Fels).
MAX: Was hast du?
CURT {teilnahmslos).
HARRY {kommt hinzu): Heult er?
MAX: Curt!
CURT: Mein Rappe . . . !
HARRY: KoHk?
CURT: Tot, is tot . . .
HARRY: War'n schöner Gaul.
MAX: Armes Tier.
HARRY: Keine Seltenheit, daß 'n Gaul krepiert . . .
CURT: Wie der Wind über die Wüste strich . . .
weitfern . . . Wie'n Grablied klang's . . . {leise) Mo-
hammedchen !
EDGAR {tritt auf, grüßt zu Ernst): Patronen ver-
teilt! {Bemerkt Curt, stürzt wie unsinnig vor Glück auf
ihn zu) Jungchen!!
HARRY und MAX: Er fällt . . .
EDGAR: Helft!
ERNST {springt zu): Rock auf!
CURT: 's brennt . . ,
HARRY: Zu schnell geritten . . .
MAX: Gejuxt . . . natürhch , . .
CURT {zu Ernst): Hatt's deiner Braut doch ver-
sprochen . . .
EDGAR {stutzt, dann rasch zu Harry und Max):
Wovon spricht er? Phantasiert er schon?
MAX: Frag' Ernst!
EDGAR: Sagt's!
ERNST: Er hat mir Nachricht gebracht . . .
HARRY: Von Hete Kracht . . .
EDGAR: ... dir?? {nach und nach in Hohngelächter
endend) ha, ha ... ha .. .
CURT: Wasser!
EDGAR {schreit Ernst an): Hör'sü
121
ALLE: Woher?
EDGAR (zu Ernst) : Woher ? . . . Schaffs ! . . . oder
läßt du verdursten den, der dir . . . ha, ha . . . komm!
komm!! (schleppt Curt ins Zelt — hinterher).
MAX: Nicht tragisch. (Zögernd) Ich finde, man muß
den Humor behalten . . . (ab).
HARRY: Na?
ERNST: Was?
HARRY: Nichts, ha, ha . . .
ERNST (verbrennt den Zettel): Man müßte ein Riese
sein !
HARRY: Probiere deine Kraft!
ERNST: Zwecklos ist's ...
HARRY: . . . Und du sprichst, wie ein verständiger
Mensch . . . ?
ERNST: Wie ein Mensch, der anrennt gegen Mau-
ern . . .
HARRY: In dir selbst ist die Mauer ....
ERNST: Man kommt eben nicht drüber weg . . .
HARRY: Was willst du dann hier? Deine sieben
Sachen pack! Nach Hause fahr . . .
ERNST: Du hast leicht spotten . . . Gebunden ist
mein Herz durch Pflicht!
HARRY: Pflicht! Hausordnung für Kasernen . . .
Fahr in die Heimat zurück. . . mach Hofbälle mit . . .
lern wieder Hurra schrein . . .
ERNST: Wie du sprichst . . .
HARRY: Deine Sachen pack! Hier draußen braucht
man 'n Kopf, der weiß, was er will! .... im übrigen
ist die Verdauung zu regeln. Pflichtmenschen sind hier
nicht zu gebrauchen . . .
ERNST: Was quälst du mich!
HARRY: Steh fest auf deinen zwei Beinen . . .
Handle nach deiner Kraft!
ERNST: . . . Darf sie nicht ineinanderwachsen . . .
mit dem da . . . (deutet aufs Herz) bis an die Sonne . . .
adlerfrei . . .
HARRY: Sie darf es . . .
122
ERNST: Wie?
HARRY: Oder darf sie es nicht . . . Ich sag dir . . .
Sie darf! sonst nutzt sie keiner Hundeseele . . .
ERNST Ach — ! {In tiefstem Grübeln.) SoU alles
gehn, wie's geht . . .!
HARRY: Ich denk: Ich red' zu 'nen verständigen
Menschen . . . ! Will dir sagen, wie deine Karten stehn !
Pack am Schopf, was du kriegen kannst . . .
ERNST: 'S kommt doch alles . . ., wie's kommen
soll ...
HARRY: Naiv . . .
ERNST: Uns lenkt eine Macht ... ob wir am Zü-
gel knirschen, oder nicht . . . Glaub mir!
HARRY : An deinen Bauch glaub, wenn er knurrt . . .
den Arm, wenn du ihn spannst . . .
ERNST: Harry! . . . ich sage dir . . . wir stehn nicht
allein in der Welt ....
B.AKRY {ironisch): Komm! Komm! Über die Wüste
sieh, wie sie so unendHch ist . . . zum Himmel, wie er so
weit von uns blinzelt . . . ha, ha . . .
ERNST {sieht zum Himmel): Aber ich fühle den
Zusammenhang
HARRY: Lern ihn aus dem Gesetz . . . der Kraft . .
ERNST: Aus uns allein kann nichts kommen . . .
HARRY: Was!?! Sieh mich doch an! Wer half
mir aus dem Dreck . . , .? ... Keiner!
ERNST: Harry!
HARRY: Keiner, aber mich ducken lassen!! Ha,
Jetzt steh ich vor dir, der Gemeine, vor dem Leut-
nant! Du weißt nicht ein noch aus . . . und trägst
doch den Mantel der Pflicht . . . Zugeknöpft bis ans
Gehirn . . . ich — , der leichtsinnige Hund bin voll
guter Laune . . . ha, ha . . .
ERNST: Was soll das alles!
HARRY: Gibt dirs nicht zu denken . . . ?
^KNST {gequält): Aber mein Blut, das seit Jahr-
hunderten gedrillt ist zu gehorchen — !! Komm nicht
drüber weg — komm nicht drüber weg,
123
HARRY: Wie das tönt. Damit magst du Hansen im-
ponieren, dem Leben bist du keinen Pferfferling wert . . .
ERNST: Ja! Ich fühl's. Sich ducken ... das ganze
Leben immer: ducken! Willkür gängelt uns! Vor
diese Glut, den Drang zur Tat . vor jeden Wunsch
stellt man: Du sollst!
HARRY: Sag du: „Ich wiU!" In Fetzen aUe Tra-
dition! Auf sich selbst steht man hier! Leuchtet dir
das nicht ein ? Wem sonst bist du verantwortlich, als
deinem ehrlichen WiUen . . . ! Dem Geist, an den du
glaubst ... ich nenn ihn: Kraft . . ., du . . . Gott . . .
ERNST: Harry! Harry!
HARRY: Oder gibt's einen höheren Vorgesetzten?
Ha, ha. Es gibt auch keine höhere Pflicht . . . erfülle
sie . . . so erfüllst du dich ihm . . . Laß deine Glut nicht
verpuffen . . . die Formen sind tot, kein Affe krigt sie
lebendig . . .
ERNST: Du . . .! Hätt ich nur die Gewißheit . . .
nur das Gefühl von Recht . . . (jubelnd) Ich wollt nicht
eher müde sein zu kämpfen . . . mit jeder Fieber
meines Bluts . . . bis . . .
HARRY: Junge . . .! {Faßt beide Hände von ihm)
PÖSTEN_(«ÄfÄ unten): Halt! Wer da . . .?
HANS J JRGEN {kommt über die Felsen): Quatsch
nich! Donnerweter 'n romantisches Räubernest . . .!
BIDE: Jochen!
HARRY: Du kommst von der Artillerie?
HANS JÜRGEN: Ja!
ERNST: Sind die Batterien in Stellung . . .
HANS JÜRGEN: Stecken gebheben ... aUe Ge-
spanne verdurstet . . .
HARRY: Schlappheit!
ERNST {impulsiv): Mit meiner ganzen Mannschaft
will ich hin . . .
HANS JÜRGEN : Mensch ! Du darfst doch nicht fort . . .
ERNST {mit Bedeutung zu Harry) : Harry! . . . ha, ha . . .
HANS JÜRGEN: Gleich dem Hauptquartier mel-
den . . .
124
HARRY (zu Ernst): Laß mich zur Artillerie . . .
ERNST: Also dem Hauptquartier melden . . . (Jb.)
HARRY: Wo steht die ArtiUerie . . .?
HANS JÜRGEN: Auf halber Höhe . . .
HARRY: Doch schon so weit . . .!
HANS JÜRGEN: War nur erst Hilfe da . . . (^b
hinter Ernst.)
HARRY: Bravo mein Spinnchen! Schon wetter-
leuchtets! {Klettert auf die Felsen, beobachtet ins Tal).
I. REITER {kriecht vorsichtig hinter dem Zelt hervor) :
Habt ihr gehört ? Alles verdurstet !
REITER {murmeln).
I. REITER: Wer verdursten wiU, tu's!
REITER: Keiner wiU's!
1. REITER: Unten im Tal sind die Wasserlöcher!
REITER: Hin!
2. REITER: Dürfen nicht!
I. REITER: Aber sterben dürft ihr: Idioten!
REITER: {scheu, nach und nach über die Bühne).
HARRY {bemerkt den Lärm, wendet sich rasch um,
erkennt die Situation) : . . . Wohin ? {Ruft zu den Posten)
Posten ! aufpassen ! ... Soll ich euch hängen lassen ?
1. REITER (frech): War' besser . , . Dann war' man
gleich auf einmal tot . . .
HARRY {stößt ihn von dem Felsen): Sollst parieren
lernen.
REITER {murren).
2. REITER {flötzlich angsterfüllt) : Nicht melden . . .
REITER {winseln): Nicht melden!
2. REITER: Nur'n Schluck Wasser wollten wir ja . . .
HARRY: Betrunken seid ihr!
2. REITER: Bei Jesus Christ! . . . wir sind nicht be-
trunken . . .
HARRY {drängt sie zurück): In eure Zelte!
EIN REITER (phantasierend): Gehört?
ALLE: Was?
EIN REITER {aufatmend): Ein Schuß!!
ALLE {horchen auf): Ein Schuß!!
125
HARRY: Euch spukt's im Gehirn.
EIN REITER {tanzt wie unsinnig : Der erste Schuß.
Der^rste Schuß!
HARRY: Vorwärts. Hosen runter!
REITER {ziehen ihn lachend zurück).
^ MAX {kommt aus Edgars Zelt): Der Curtü . . .
Situation wird immer verteufelter . . .
HARRY: Also raus doch den Teufel: Baron!
MAX: Den Teufel, sagst du?
HARRY: Ich sag: 's kann nicht alles nach Schablonen
gehn . . . , wenn die Hölle die Farben mischt . . .
MAX: Von was für 'ner Hölle sprichst du?
HARRY {klofjt ihm auf die Brust): Da — Mäx-
chen . . .
MAX {ausweichend, verlegen) : Ha, ha . . . {Man hört
Reiter vorkriechen)
HARRY {sieht sich rasch um . . . Reiter stutzen, —
kriechend zurück).
MAX: Mach' mir mal bitte meinen Stehkragen
ab . . .
HARRY {hat ihm den Kragen abgeknöpft): Feiner
Hund! noch saubre Wäsche?
MAX: Ja! ja! {Leise zu Harry) Du!!
HARRY: Ja?
MAX: Ich möchte mal schreien dürfen . . .
HARRY: Tu's!
MAX: Laut in die Wüste schrei'n! . . . oder 'n Herero
verhau'n . . . Irgendwas!
HARRY: Ha, ha... Tu's!
MAX: . . . Du glaubst nämlich gar nicht, wie pein-
lich mir solche Schwüle ist . . .
HANS JÜRGEN {von oben mit Ernst): Das Haupt-
quartier antwortet nicht mehr ...
HARRY: Waas?!
ERNST {in verzweifelter Überlegung): Still!
HARRY {plötzlich außer sich): Hurra! die ganze
Welt!
ERNST: Verstand!!
126
HARRY: Stehst da?! überlegst?! Jetzt befiehlst du!
{Man sieht Signale)
REITER {von oben): Meldung: Zweites Feldregiment
hat die Umgehung beendet . . . {Pause . . . alle beobach-
ten . . . es wird signalisiert)
ERNST {ruft nach oben) : Und das Hauptquartier ? . . .
REITER: Keine Antwort . . .!
HARRY {zu Ernst): Irgend was muß geschehn!
HANS JÜRGEN {zu Harry) : Nicht was du denkst . . .
{zu Ernst): Ernst!!!
ERNST {zu Max) : Zum Apparat geh' . . .
MAX: Wohl!
ERNST , . . {kalt, entschlossen) : Ich werde handeln . . .
wie's der Oberst will!
HANS JÜRGEN: Doch selbstverständlich . . .
HARRY: Ihr seid toll!
REITER: Meldung drittes Bataillon erwartet den An-
griffsbefehl . . , {wieder Pause) . . . Signale werden be-
obachtet . . )
HARRY: Gib ihn!
HANS JÜRGEN: Donnerwetter! Bist verrückt {zu
Harry).
HARRY {zu Ernst): Selbsttätigkeit der Unter-
führer !
REITER {kommen vorgekrochen, so daß ihre Kö-pfe als
Silhouette sichtbar sind; zischeln wie das Gespenst des
Durstes . . ): Wasser ! Wasser !
REITER : Meldung . . . Alle Regimenter stehn am
Feind!
ERNST: Jetzt vom Hauptquartier Antwort?
REITER: Nein!
ERNST {schnell zu Harry): Vorwärts, Harry: Du, jag'
hin!
HARRY: Wohin? zur ArtiUerie!
ERNST: Zum Hauptquartier . . .
HARRY: Wahnsinn! Bis ich zurück bin, krepieren dir
alle!
ERNST: Widersprich nicht!
127
HARRY: Wie du willst!
ERNST: Ich befehl ... es!
HARRY: Hab' ich alles in den Wind geredet!
Handle!
ERNST: Henner!
HARRY: Herr General! ha, ha (zu Hans Jürgen) : Wie
lange braucht die Artillerie hierher ?
HANS JÜRGEN: Viertelstunde . . .
HARRY {schnell zu Max): Mäxchen, hast du mal 'n
Menschen gesehn, dem's Glück nachläuft ? . . .
MAX : Das Glück, sagst du ... ?
HARRY: Auf meinem Kopf könnt ich tanzen . . .
{Stürmt ab.)
V. FAVARGER {eilig) : Was ist los !
HANS JÜRGEN: Kerl!!
V. FAVARGER: Bin aus dem besten Schlaf ge-
weckt . . .
EDGAR {kommt aus dem Zelt, trägt Curt in den Armen) .
ALLE: Wohin?
EDGAR {scharf): Tax den Wasserlöchern!
ERNST: Halt!
EDGAR: Vorbei!
HANS JÜRGEN {zu Edgar): Gehorche!
V. FAVARGER: Gehorche!
REITER {drängen Edgar nach) : Vorbei . . . Leben ! . . .
Saufen !
ERNST: Bestien!! Erst: Pflicht! .. . dann Leben!
EDGAR {will mit Gewalt vorbei): Leben . . . dann
Pflicht!
HANS JÜRGEN und MAX {nehmen sofort für Ernst
Partei, zu Edgar): Quaßle nicht!
ERNST {sf ringt auf Edgar zu) : Vom Apparat fort !
MAX: Ich laß keinen ran!!
MAX: Die Leute sind nicht mehr sicher:
HANS JÜRGEN: {zu Edgar): Wohl besessen!!
ERNST: Henner bringt Befehle!
EDGAR {wendet sich impulsiv über Ernst weg an die
Reiter): Zur Rache kamt ihr raus?
128
REITER: Ja!
EDGAR: Für ermordete Farmer?
REITER: Für ermordete Farmer 1
EDGAR: Also . . . auf mein Kommando hört . , .
ERNST: Vom Leibe.,. !
EDGAR (zu Ernst, auf ihn weisend) : Auf dem Spiel
steht alles ! Der ist zu feig ...
HANS JÜRGEN (tritt zu Ernst, ihm zu helfen):
Donnerwetter! Donnerwetter!!
EDGAR: Im Tal: Ehre! Leben. Hier verrecken . , .
Schakalfutter ...
REITER (schaudernd): Schakalfutter...
-EDGAR: Voran: Ich geb' das Signal. ■ ■ ■
ERNST: Ich spaß' nicht (er droht zu schießen).
REITER: Kämpfen!
EDGAR: Los! Vorbei! :
REITER (laut): Zum Apparat! (drängen vor).
ERNST: Finger fort!!
EDGAR: Beißt ihm die Gurgel durch! :
ERNST (ganz außer sich, mit umgedrehtem Kara-
biner auf Edgar los): Du Hund!
HANS JÜRGEN (hält Ernst am Arm): Halt! (auf
Edgar weisend): Kein Offizier mehr!
EDGAR: Beißt sie ihm durch!!
ERNST: KnaU jeden in den Dreck!
REITER (weichen zurück).
EDGAR: ...Wollt nicht? Angstl . . Weiber if
{plötzlich auf Curt zu, reißt sich Rock auf, schneidet
sieh die Brust auf) du sollst leben ! ! {läßt ihn Blut trinken).
ERNST (taumelt zurück . . .): Blut . . .! :
REITER (schaudernd . . .): Blut ...
ERNST (nach und nach sich besinnend , . ., erwachend) :
Soll'n alle verdursten, weil man mir keine Befehle
schickt . . . ! Und kostet's meinen Köpf. (Er befiehlt
Max) : Leuchtkugeln hoch . . .
HANS JÜRGEN (vertritt den Weg): Gegen den Be-
fehl?!
ERNST: Was weißt du!
129
HANS JÜRGEN: Donnerwetter! Dohn:erwett6r !
ERNST {stößt ihn zurück): Lern' du dein ABC . . .
V. FAVARGERi Raseöd! (Beide halten Ernst)
ERNST: Sollte der gahze Krieg nutzlos sein!?! —
Platz!
• HANS JÜRGEN: Solang ich Offizier bin, nicht!
ERNST: Himmel un4 Hölle!
HANS JÜRGEN: Mensch! {Hält ihn fest)
V. FAVARGER {hilft Hans Jürgen) : Du mußt war-
ten . . . aufs Hauptquartier ...
ERNST {macht sich frei . . . wild . . . stolz) : Mußt ? ! . .
Spielt Zinnsoldaten! {Stürzt zum Jpparat, den Max
freiläßt . . .) : Mich haltet ihr nicht ! {Er gibt das Signal . .
Die Leuchtkugeln fliegen in die Luft . . . gleich darauf hört
man von unten her hinter den Felsen):
REITER: Hoi! Ho! Feste! Hoi! Ho!
Feste!
Peitschengeknall. Räder gefolter. ■
HARRY: In die Speichen gefaßt!
REITER r Hoi! Ho! Feste!
{Darauf Jubel ■ — Stimmengewirr)
HARRY {mit aufgekrempelten Ärmeln^ stürzt über die
Felseri).
ALLE: Harry!
HARRY: Artillerie zur SteUe!
HANS JÜRGEN: Und das Hauptquartier?
HARRY {zu Ernst) : Aufgefahren sind alle Batte-
■ 1
rien
, ERNiST {wild — zu den Reitern): Zelte abbrechen!
HARRY: Tanzt, Kinders, tanzt!
CURT: Schleppt mich mit euch.
: V. FAVARGER: Denn man los . . .
HANS JÜRGEN: Also los . . .
HARRY {unter den Reitern): Karabiner raus,!!
MAX {hat sich auch di^ Ärmel aufgekrempelt . . » rauf-
lustig): Hab' nämlich 'ne unbändige Wut auf Schwarz-
hsEter. {Hinterher ab)
ERNST {bei Edgar): Du...!
J3P
EDGAR {abweisend) : Laß . . . Meine Patronen
nimm ...
ERNST (zx^ Harry): Die Reiter führ' ins Gefecht!
HARRY: Und du?
ERNST: — Zum Oberst!
HARRY: Aber der ganze Busch steckt voll Hereros!
ERNST {siegesgewiß): Und w^nn ich durchlöchert
werde! Ich will zu ihm hin. ._
HARRY {zu den Reitern): Vorwärts! Über die
Felsen gekrochen!
ERNST: Um deinen Degen geht's!
REITER {einer Flucht nach vorn ähnelnd): Zu den
Wasserlöchern! Kämpfen! {Alle ab.)
ERNST {sf ringt auf die Felsen — breitet beide Arme
zum Himmel aus, aufjauchzend) : Ach . . . ! Dir zu ge-
horchen! . . . Titanenrausch! {Schnell ab)
Vorhang.
131
ZELTBILD.
Offiziere v. Heidenberg, Eckbrecht.
V. HEIDENBERG: Von der Artillerie noch keine
Meldung!
OBERST: Aber die Angriffsbefehle sind vorbereitet!
V. HEIDENBERG: Jawohl! Herr Oberst.
ECKBRECHT: Wollte gehorsamst fragen, ob die
Signallampe wieder antworten darf?
OBERST: Nein . . . Durch vieles Signalisieren macht
man die Schwarzen aufmerksam . . .
ECKBRECHT: Aber Schlichting wird die Besinnung
verlieren —
OBERST: Sie mögen so was denken! Hörerj will
ich's nicht! Was er zu tun hat, ist ihm bekannt. Mein
Befehl ist nicht zu deuteln . . . {Eckbrecht grüßt) Das
erste Ziel bleiben die Wasserlöcher.
OFFIZIERE {grüßen, alle ab).
HEDWIG : Du stellst ihn auf sehr harte Probe . . .
OBERST : Kind ! Was denkst du von mir . . .
HEDWIG: Verarg mir's nicht. Ich hab ihn lieb . . .
OBERST {verwirrt) : Ja, verlang ich Unmögliches ? Er
ist Offizier! . . .
HEDWIG : Aber . . . doch ganz allein auf der Sta-
tion . . .
OBERST: So zeig er, wer er ist!
HEDWIG: Aber. . .
OBERST: Aber . . . aber . . . Man muß den Bogen
spannen können; sonst taugt er nichts . . . Ich habe
Großes vor mit ihm . . .
HEDWIG : Wann wird die Schlacht denn sein ?
OBERST: Sobald die Artillerie ran ist . . .
HEDWIG : Vor Sonnenaufgang noch ?
OBERST: Ich hoffe . . .
HEDWIG : Werden wir siegen ?
OBERST {zuckt die Achseln).
HEDWIG: 's müßt mit dem Teufel zugehn, wo du
kommandierst . . .
13a
OBERST: Ungeduldige Draufgänger . . .
HEDWIG: Den Lorbeer . , , woher?
OBERST: Lorbeer? unser Name soll ihn über-
dauern ...
HEDWIG {hält ihm schnell eine Binde als Siegesreif
um die Stirn, stolz): Imperator!
OBERST (einen Augenblick berauscht, dann kurz):
Kindsköpfchen ...
ECKBRECHT {mit Ordonnanzoffizieren stürzt herein) :
Am Gebirge entwickelt sich Gewehrfeuer , . .
OBERST: Ist Ihr Gaul frisch?
ERSTER ORDONNANZOFFIZIER: Jawohl.
OBERST: PatrouiUen hin . . .
V. HEIDENBERG: Man scheint anzugreifen . . .
OBERST: Wer „man"?!
ZWEITER ORDONNANZOFFIZIER: Verwun-
dete!
OBERST: Ich habe keinen Befehl gegeben . . .
DRITTER ORDONNANZOFFIZIER: Angeschos-
sene galoppieren heran ...
OBERST {ahnt den Zusammenhang).
HEDWIG: Vater!
OBERST {dann): Lächerlich.
ERSTER ORDONNANZOFFIZIER: Besinnungslos
durcheinander !
OBERST: Kann nur 'ne pflichtvergess'ne Patrouille
sein. {Draußen Rufe: Platzl zurück.)
OBERST {in steigender Erregung) : . . . Feuer auf die .
VIERTER ORDONNANZOFFIZIER {stürzt her-
ein): Zurück! {Stutzt, wie er den Oberst sieht)
OBERST: Ihr Portepee!
ECKBRECHT: Eine Panik im Lager . . .
OBERST : Peitscht dazwischen . . . ! {Draußen Lärm
von Reitern)
OBERST: Oh ... oh ... oh .. . {will ab).
ERNST {von Reitern gestützt, tritt ein . . . man merkt
ihm an, daß er schwer verwundet ist . . . Vater und Sohn
sehn sich in die Augen).
133
OBERST, (scharf): Was treibst du hier?
ERNST: Melde gehorsamst ...
OBERST: Woher?...
ERNST: Herr Oberst!! (faßt ins Zelttuch). .
OBERST: Woher? Woher?
ERNST: Befehl zum Angriff ... Ich hab ihn ge.
geben . . .
OBERST (starrt ihn an, . . . dann ganz außer sich über
Ernst weg zu den Offizieren): Vorwärts!
ERNST: Halt!
ECKBRECHT (hält Ernst zurück): Kerl!
OBERST: Meine Schuld ... Zu viel vertraut hab ich
dir . , .
ERNST: Kein Leichtsinn war's!
OBERST: Fort!
ERNST: Nein! Nein!
OBERST: Pferde!
ERNST: Hör mich an . . .!
OBERST: Keine Zeit. (Zu den Offizieren): Los! . . .
meine Herren . . ., diese Befehlsleitung muß korrigiert
werden . . . (ab mit allen) . . .
ERNST (sieht ihm wild atmend nach . . .).
HEDWIG (fliegt auf ihn zu) : Du blutest . . .
ERNST (kraUt sich ins Zelttuch . . .) : Adieu, Hed-
wig .. .
HEDWIG: Was willst du tun?
ERNST: Leb wohl . . . (will fortstürzen).
HEDWIG (hält ihn auf): Niemals!
ERNST: Ich hoffte ihn zu überzeugen! So ge-
wiß!! ^ ^
(nach Pause . . .): Abgekanzelt wie'n dummer Junge ?
HEDWIG: Der Vater war erregt . . .
ERNST: . . . Die ganze Brust brennt noch vom Feuer
solcher Stunde! Er überschüttet mich mit kaltem
Hohn ?!
HEDWIG: Ich bitte dich...
ERNST: Die Glut! Diesmal löscht sie kein Kom-
mandowort! Die Flamme schlug zu hoch!
^34
HEDWIG-: Ich will bei ihm für dich bitten ...
ERNST {schließt Hedwig -plötzlich jubelnd in seine
Arme): Ach! —
HEDWIG : Mich wird er anhören , . . :
ERNST: Und welch Verbrechen tat ich? Ich gab zu
rechter Zeit der Truppe den Befehl. Sonst lag sie jetzt
im Sand ! . . . verdurstet . . . ! Unsre Rache war ver-
pufft ...
HEDWIG : Er weiß davon gewiß kein Wort !
ERNST: Wer ist der Oberst überhaupt!!!
HEDWIG: Ich will zu ihm . . . Um dein Leben
zitt're ich sonst.
ERNST: Laß er mich doch erschießen! Mein Leben
werf ich ihm vor die Mündung der Gewehre . . .
Lachend! , .
HEDWIG: Ernst!!
ERNST: Heut bin ich avanciert: General! Feld-
marschall! . . . Du! . . . Hab's ja erlebt!!
HEDWIG: Wie es mich selig macht!
ERNST: „Zuviel vertraut hab ich dir . . ." Ha, ha . . .
Sagt er nicht so ? . . . Gibt er die Freiheit solcher Tat
nicht zu . . ., hält sich an Worte — hart wie im Mittel-
alter . . , {faßt an seine Wunde) . . . Streich ich den
Rock . . . aus . . . meinen . . . Träumen . . . {wankt zum
Bett).
HEDWIG: Wirst bleich? ... Laß dich verbinden . . .
ERNST: Muß wohl sterben ... Du weinst?
HEDWIG {mit äußerster Selbstbeherrschung): Ich
lache! . . . Hab dich doch in den Armen . . .
ERNST: Daß du bei mir bist!
HEDWIG: Ich wollte es immer sein ...
ERNST: Jetzt! Jetzt! Immer, Hetelchen! Nun
bin ich dein! ...
HEDWIG: Bist du's? Und schäumtest doch über
mich fort wie ein Gießbach ...
ERNST: Hedwig!
HEDWIG: Ich ertrug's . . . Aber den Vater läßt du
jetzt auch hinter dir . . .
135
ERNST: Vater ?!?!... {besinnt sich) ... ja so.
HEDWIG: Du Krieger du!
ERNST: Nimm die Haube vom Haar ...
HEDWIG: Nicht . , ,
ERNST: Die weiße Totenhaube ab . . .
HEDWIG: Wie wiUst du mich?
ERNST {reißt die Haube ab) : Deine Haare lös auf . . ,
HEDWIG: Nur für dich pflegt' ich das Gold . . .
ERNST: WiU dich fühlen!
HEDWIG: Schling deine Arme um meinen Hals . . .
ERNST {tut es, nach einer kleinen Weile richtet er
sich plötzlich schnell auf im Bett).
HEDWIG: Was ist?
ERNST: Glücksfieber schüttelt mich!
HEDWIG {hingebend) : . . . und . . . mich !
ERNST {außer sich) : Auf mein Kommando jauchzten
Kanonen ? Reiter stürzten ins Gefecht ? !
HEDWIG {enttäuscht): Ernst?!
ERNST {rasend): Was da {zeigt nach draußen) nach
Freiheit schrie: Geduckt! Verdurstet! Ich hab's ent-
fesselt! Ach — ! Ich! Ich hab's getan . . .!
HEDWIG: Wie du glühst!
ERNST: Ein Feuerkranz! Die Schläfen brennen!
Den reißt niemand ab! Der ist nun mein! In mir!
Um mich, Glanz — nie erträumter Glanz!!
HEDWIG: Daß du's erreicht hast!
ERNST {zieht sie an sich).
HEDWIG: ...aber ich? ...
ERNST {küßt sie wild).
HEDWIG : Und doch lieb ich dich, so, wie du bist !
Weil du so bist! Herrlicher Mensch!!
{Ein Sonnenstrahl fällt grell ins Zelt.)
ERNST: Komm! Komm! {beide halten sich um-
schlungen).
HEDWIG: Schritte! {schrickt auf).
ERNST: Hetelchen!
HARRY {ist eingetreten, stutzt . . . dann) : Alles ge-
fingert !
136
ERNST: Ich halte mein Glück . . .
HEDWIG {rasch, leise zu Harry) : Etwas gehört ?
Vom Oberst ? ! Kommt er vor's Kriegsgericht . . . ?
HARRY : Was ? ! Als ich vorbeiritt, schwenkte man
die Hüte ...
ERNST: Harry . . . Das mußt du wissen . . . Ob sie
mich köpfen, oder mit Orden behängen ... Ich hab's
gefühlt . . ."
HARRY {gibt ihm die Hand): Was man will, glückt
immer ...
ERNST: ...Der muß helfen...
HARRY {stolz, himmelverachtend) : Nee! . . . Ernst . . . !
{Draußen Sprechen.)
HEDWIG {ängstlich bei Ermt):. Man kommt . . .
ERNST, (jpn'wgi trotzig auf): Los! . . . {sinkt auf das
Bett zurück).
HANS JÜRGEN {hinter ihm Offiziere) : {zu Harry) :
Könnte dich prügeln . .. . soviel Dusel!
HARRY: Was?
OFFIZIERE : Hast den Degen bekommen . . .
HARRY: Wirklich?!
CURT:, Bist wieder Leutnant, mein Kerlchen . . .
, HARRY: Bin wieder Offizier!
V. FAVARGER: Ja, ja. Grgtulor!
HARRY {außer sich vor Jubel . . . wirft eine Börse
heraus) : Da, Kerls ! . . . Plündert meine Satteltaschen . . .
CURT: So fängst du an . . .
. HARRY: Bin wieder Offizier . . . Hurra! Heut Soll
die Welt Kopf stehn . . . Ernst ! ! Vorwärts . . . Aus dem
muffigen Zelt! . .
ECKBRECHT: Schlichting! Zum Oberst! Los! Lös!
HANS JÜRGEN: Wir sind ausgelernte Sieger!
OFFIZIERE: Welches Land nun!
. HARRY {mit Ernst): Wir sind dabei! ...
ERNST {bricht zusammen) ....
i ALLE {stutzen).
V. FAVARGER: Komm! ... Ich glaub', man darf
dir gratulieren ...
^7
ERNST: Euer Pflaster klebt nicht. {Stützt steh auf
Hedwig.)
HANS JÜRGEN: Donnerwetter ...
ERNST: Hetelchen . . .
HARRY: Er wiU sprechen ...
ERNST (stirbt).
(Es tritt Stille ein.)
OBERST: Sieg von allen Seiten! . . . -
V. HEIDENBERG: Ich soU das Kommando haben ?
OBERST: Ja! (v. Heidenberg ab, — Oberst zu Eck-
brecht) : Er will nicht kommen ? (glücklich :) An dem
Stolz erkenn' ich den Bengel . . . Muß um Vergebung
selber kommen. (Bemerkt die Offiziere, stutzt; sachlich) :
Ah — , alle Herren . . . Mir ist inzwischen alles be-
richtet ! . . . Also es gibt tatsächlich Fälle . . ., wo es
Pflicht eines Offiziers ist, zu handeln auf eigene Ver-
antwortung! Schlichting . . . Ich hab Ihnen Unrecht
getan . . . War nicht orientiert . . . Wo sind Sie denn ?
OFFIZIERE (treten zur Seite).
OBERST: Nun.? Du ligst! . . . Hier war Selbsttätig-
keit Pflicht . . . Gratulier dir!
HARRY (will zögernd vor) : Herr Oberst . . .
OBERST (zu Ernst) : Dein Oberst ist zufrieden . . .
HEDWIG: Genug...
OBERST: Lang wart ich nicht mehr. (Wird wieder
kälter.)
HARRY (leise) : Er lebt nicht . . .
OBERST: Was ? ? ! (begreift . . . reißt Hedwig fort . . .
stürzt auf Ernst-) Lebt nicht? Er muß ja leben . . .
Du mußt mich hören . . . (umschlingt seinen Kopf).
Lippen auf! Du! du! Unmöglich! ... Er kann doch
nicht ...
OFFIZIERE (schweigen ergriffen).
MAX (stürmt herein) : Sieg ! Sieg ! Wir wollen ein
Tedeum singen! Sechs Kapellen ersetzt mein Baß . . .
Da, Dum ! da . . . da . . . (wie er den Kreis der Trauernden
sieht, endet er in verlegenem Räuspern).
HARRY: Unser Ernst!
138
MAX: Was sagt ihr?
CURT: Dahin . . .
MAX {still) : Hin . . .
OBERST {richtet sich langsam auf): Leutnant von
Henner . . .
HARRY: Herr Oberst?
OBERST: Führen Sie . . . {mit Bezug auf Ernst).
HARRY {ordnet alles an).
OBERST {zu Hedwig, die starr dasteht)'. Mein Kind!
OFFIZIERE {heben die Leiche auf).
HEDWIG {bittend): Auf den Augen laßt ihm den
Hut . . .
HARRY: Den . . . Reiterhut . . . {legt ihn Ernst aufs
Gesicht).
{Draußen Lärm.)
V. HEIDENBERG: Die Wasserlöcher sind gestürmt!
OFFIZIERE {Bewegung).
OBERST: Heidenberg . . . {deutet auf Ernst). Die
schwarzen Halunken haben mir meinen -. Jungen er-
erschossen . . . {Pause, dann kurz:) Ich übernehm das
Kommando wieder . . . {Er nimmt seinen Hut ab, Offi-
ziere tun das gleiche — Ernst's Leiche wird heraus-
getragen . . . alle ab).
HEDWIG {dem Vater entfremdet, leise) : Zu spät . . .
OBERST (gibt ihr die Hand): Hilft nichts {wischt
sich eine Träne fort). Nun wieder: Pflicht . . .
HEDWIG {ist starr — sagt es voll kaltem Lächeln):
Ja, Vater! ...
OBERST {ab).
HEDWIG {bindet sich langsam die Haube über dem
Haar fest . . . ordnet V erbandzeug . . . wie sie am leeren
Bett vorübergeht, bricht sie unter haltlosem Schluchzen
darüber zusammen . . .).
{Draußen drei rollende Ehrensalven)
Vorhang.
Ende.
139
Drude der Spamersdien Bud>drud<ere! in Leipzig
Wi-
BERLIN
ERICH REISS VERLAG